Personalisierte Medizin
Das Stuttgart Cancer (SCC) am Klinikum Stuttgart zählt dank der Unterstützung der Eva Mayr-Stihl Stiftung zu den Vorreitern bei der Anwendung der personalisierten Medizin in der Krebstherapie.
Im SCC werden die Aktivitäten und unterschiedlichen Akteure der personalisierten Medizin koordiniert. Zu den Partnern im Klinikum Stuttgart zählen neben der Hämatologie/Onkologie auch Fachbereiche wie die Genetik, die Pathologie, Radiologie und die Apotheke.
Viele neue Arzneimittel helfen nur bei bestimmten genetischen Veränderungen des Tumors. Kein Tumorpatient gleicht dem anderen. Dank des medizinischen Fortschritts ist es heute möglich, durch eine ständige Anpassung der Therapie an die Gesundheitsentwicklung des Patienten die Heilungschancen deutlich zu erhöhen. Doch für all das benötigt man die personalisierte Medizin. Der Ärztliche Leiter des SCC, Prof. Dr. Gerald Illerhaus, erklärt: „Die personalisierte Medizin bietet uns einzigartige Möglichkeiten, den Krebs gezielt und individuell zu behandeln. Statt Medikamente und ihre Wirkung erstmal ausprobieren zu müssen, können wir dank der umfassenden Analysen den Patienten einiges ersparen und bessere Resultate bei der Behandlung erzielen. Wir brechen inzwischen große klassische Tumorgruppen hinunter auf eine molekulare Ebene. Somit werden aus häufigen Krebserkrankungen, seltene individuelle Tumorentitäten“.
Eine wichtige Rolle spielt dabei die Pathologie im Klinikum Stuttgart. Dank großzügiger Unterstützung der Eva Mayr-Stihl Stiftung konnten hier zuletzt große Investitionen in modernste Sequenziergeräte erfolgen.
Personalisierte Medizin – im Video kurz erklärt.
Nach der Überweisung durch einen Haus- oder Facharzt erfolgt zunächst ein ausführliches Gespräch in der Onkologischen Klinik des Klinikums Stuttgart. In diesem Gespräch informiert die Ärztin oder der Arzt den Patienten über das weitere Vorgehen. Eine aktive Einbindung des Patienten in den gesamten Prozess von Diagnose über Therapie bis zur Nachsorge ist von großer Bedeutung. Gegebenenfalls werden durch eine erneute Biopsie und bei Bedarf auch zusätzliche bildgebende Untersuchungen in den radiologischen Fachbereichen des Klinikums weitere Informationen über den Tumor gewonnen.
Die entnommenen Proben des Tumors werden dann in der Pathologie aufgearbeitet, wo innerhalb kurzer Zeit eine detaillierte Analyse des Tumors erfolgt. Die Molekularpathologie im Klinikum Stuttgart verfügt dank der Unterstützung der Eva Mayr-Stihl Stiftung über eine hochmoderne Ausstattung und kann Tumormutationen mittels Sequenzierung innerhalb kürzester Zeit erkennen und daraus Empfehlungen an die behandelnden Ärzte abgeben.
In interdisziplinären Tumorkonferenzen werden die Ergebnisse der Sequenzierung mit den klinischen Befunden zusammengeführt und interpretiert. Damit steht eine breite Datengrundlage zur Verfügung, auf deren Grundlage unter Hinzuziehung evidenzbasierter Erkenntnisse fundierte Entscheidungen über die weitere Behandlung des Patienten gefällt werden können. Mit diesem Prozess wird sichergestellt, dass die Patienten nicht nur länger überleben, sondern dies auch bei besserer Lebensqualität bei gleichzeitig geringeren Nebenwirkungen
In der anschließenden Befundmitteilung erhält der Patient sämtliche Informationen mitgeteilt. In einem ausführlichen Gespräch werden die Behandlungsoptionen erörtert und gemeinsam das weitere Vorgehen besprochen. Bei der Organisation der Therapie stehen im Stuttgart Cancer Center unterschiedliche Möglichkeiten zur Verfügung. So kann etwa zeitnah eine medikamentöse Therapie mit einem bereits zugelassen Arzneimittel gestartet werden. Ebenso kann, aufgrund der festen wissenschaftlichen Verankerung des SCC, auch die Teilnahme an einer wissenschaftlichen Studie geprüft werden. Bereits heute werden mehr als 60 onkologische Studien für die verschiedensten Krebsarten am Klinikum Stuttgart angeboten.
Eine weitere Möglichkeit betrifft den sogenannten „Off Label Use“, welches den Einsatz eines nicht für diese Erkrankung zugelassenen Arzneimittels beschreibt. Auch hier unterstützt das Stuttgart Cancer Center auf Wunsch die Behandler und Zuweiser organisatorisch. Eine seltene Behandlungsmöglichkeit besteht zudem in einem Einzelheilversuch, dem so genannten „individuellen Heilversuch“. Dabei kann ein Medikament außerhalb einer Studie und ohne Zulassung der Patientin oder dem Patienten zu Verfügung gestellt werden.
Auch das Institut für Klinische Genetik am Klinikum Stuttgart spielt eine wichtige Rolle bei der Personalisierten Medizin. Neben der möglichen Wirkungsweise von Arzneimitteln kann dort in bestimmten Fällen auch das individuelle Erkrankungsrisiko von Familienmitgliedern abgeklärt werden.
Was hat sich konkret am Klinikum Stuttgart im Bereich der Personalisierten Medizin zuletzt getan?
Neben der neuen topmodernen technischen Ausstattung haben wir eine Sprechstunde etabliert, in der die klinischen Befunde mit den molekularpathologischen Befunden zusammengeführt werden. In einem weiteren Schritt erfolgt dann die Vorstellung in einem sogenannten molekularen Tumorboard, in dem dann eine Therapieempfehlung ausgesprochen wird. Personalisierte Medizin wird also schon gelebt.
Wie werden Patienten auf das Angebot aufmerksam gemacht?
Für die Krebsbehandlung stehen im Klinikum Stuttgart alle Fachabteilungen zur Verfügung. Die Patienten werden über unsere interdisziplinären Ambulanzen versorgt und in den interdisziplinären Tumorkonferenzen vorgestellt. Somit kann jedem Patienten die Notwendigkeit einer Tumorsequenzierung verdeutlicht und diese erfasst werden.
Wo sehen Sie die größten Vorteile der Personalisierten Medizin für den Patienten?
Zum einen kann dem Patienten bzw. der Patientin durch die personalisierte Medizin eine zielgerichtete und sehr wirksame Therapie angeboten werden. Zum anderen können - bei entsprechenden biologischen Voraussetzungen - unwirksame Therapien und damit erhebliche Nebenwirkungen erspart werden.