Klinik für Anästhesiologie, operative Intensivmedizin, Notfallmedizin und Schmerztherapie

Forschungsgruppe Anästhesiologische Forschung und Entwicklung

Leitung Dr. med. Sören Wagner, MHBA

Forschungs- und Themenschwerpunkte

Postoperative kognitive Funktionsstörung und postoperatives Delirium 

Das postoperative Delirium ist eine bekannte Komplikation der intensivmedizinischen Versorgung des älteren Patienten, welches akut auftritt und eine fluktuierende sowie zumeist reversible Charakteristik aufweist.

Diagnostisch findet sich bei einem Delirium eine kombinierte Störung der Orientierung und Aufmerksamkeit mit zugleich beeinträchtigter Störung der kognitiven Funktionen wie beispielsweise dem Gedächtnis. Diese Störungen dauern unterschiedlich lange an und persistieren in der Mehrzahl der Fälle allerdings einige Tage. Trotzdem können die Symptome bei bis zu 20% der betroffenen Patienten auch Monate lang bestehen. Neben einer akuten medizinischen Erkrankung und Operationen sind Drogenkonsum, Traumata, höheres Lebensalter, aber auch der Schlaganfall als ursächlich für das Delirium beschrieben worden.

Risikofaktoren für ein Delirium werden in prädisponierende und präzipitierende Faktoren differenziert. Zu den prädisponierenden Faktoren, die nicht modifizierbar sind, zählen unter anderem das Lebensalter oder bestehende neurodegenerative Pathologien. Präzipitierende Faktoren sind beispielsweise Art des chirurgischen Eingriffs und der Anästhesieführung wie auch die Anästhesiedauer. Ferner werden die bestehenden motorischen Subtypen des Deliriums weiter unterschieden in die Formen hypoaktiv, hyperaktiv oder gemischter Typ.

Das Delirium geht zudem mit einer erhöhten Mortalität einher sowie einer zugleich verlängerten Krankenhausverweildauer. Ja nach Patientencharakteristik und Begleitfaktoren werden in der Literatur unterschiedliche Inzidenzen angegeben, die zwischen 71% und 89% liegen. Üblicherweise wird ein Delirium klinisch diagnostiziert und mittels verschiedener validierter Tests untersucht. Hierfür stehen einige Delirium Tests zur Verfügung, wovon am weitesten verbreitet der CAM resp. CAM ICU („confusion assessment method for the intensive care unit“) ist. Zu den Ursachen, die ein Delirium entstehen lassen gehören unter anderem eine Störung der Neurotransmitter für Acetylcholin, Serotonin oder Dopamin. Allerdings werden auch die perioperative Hypoxie oder Hyperkapnie als ursächlich beschrieben, die sekundär zu einer Inflammation und schließlich einer Blut – Hirnschranken - Störung führen.

Die postoperative kognitive Störung (POCD) wird mit einer Inzidenz von 41-75% eine Woche nach Operationen beschrieben und mit 18-45% für drei Monate nach Operationen angegeben. Dabei sind die publizierten Raten für kardiochirurgische Eingriffe noch etwas höher und werden mit etwa 53% beschrieben. Andererseits wird ebenso berichtet, dass ein POCD erst Wochen oder Monate nach einem operativen Eingriff beobachtet, wohingegen ein POD bereits 24-72 Stunden postoperativ detektiert werden kann. Wenngleich keine einheitlichen Risikofaktoren für eine POCD beschrieben werden können, werden andererseits das Lebensalter und ein Diabetes mellitus gerade für ein POCD nach kardio-chirurgischer Bypass Operation als Risikofaktor beschrieben. Für die koronare Bypasschirurgie scheinen vier Risikofaktoren maßgeblich zu sein. Dazu zählt ein erhöhter Euro Score, der arterielle Bluthochdruck, die koronararterielle Bypasszeit und die periphere Gefässverschlusserkrankung. Zudem scheinen ein niedriger Bildungsgrad und ein erhöhter präoperativer C-reaktives Protein (CRP) Wert ein gesteigertes Risiko darzustellen.

Obstruktive Schlafapnoe in der Anästhesie

Bei der obstruktiven Schlafapnoe (OSA) kommt es zum Kollaps der oberen Atemwege bei fortbestehender muskulärer Atemanstrengung. Dies führt zu wiederholten Atempausen, einer konsekutiven Unterbrechung des Atemgasflusses und mündet in eine intermittierend auftretenden Hypoxie sowie Störung der Schlafarchitektur. Die Summe dieser respiratorischen Ereignisse von Apnoe und Hypopnoe werden als eine Index (AHI) dargestellt und in verschiedene Schweregrade eingeteilt. Demnach gilt ab einem AHI von 30 ein Patient als schwer erkrankt. Die OSA wird mit einer Prävalenz von 17% der Männer in der Allgemeinbevölkerung bei einem Alter von 50-70 Jahren angeben und mit 9% der Frauen im gleichen Alter quantifiziert. Allerdings ist die zu erwartende Inzidenz in einem chirurgischen Klientel wesentlich höher und wird mit 24-41% angenommen. Mehr noch ist die Diagnose bei 80-93% der Fälle präoperativ noch nicht gestellt. Der Goldstandard der Diagnostik erfolgt über eine Polysomnographie im Schlaflabor. Diese Diagnostik ist jedoch finanziell und logistisch aufwendig und vor einer Operation in der Regel nicht sinnvoll. Alternativ zum Schlaflabor steht ein international weit verbreiteter, validierter und akzeptierter Screening Fragebogen zur Verfügung. Dieser sogenannte STOP BANG Fragebogen ist einfach in der Durchführung und bedarf nur wenige Minuten für seine Fertigstellung. Es werden insgesamt 8 Fragen gestellt und mit jeweils einem Punkt bewertet. Dabei korreliert das Ergebnis von 5 und mehr Punkten mit dem hohen Verdacht auf eine schwere OSA Erkrankung. Zu den Symptomen des erkrankten Patienten zählen die Tagesmüdigkeit und kognitive Einschränkungen. Dazu gehören verzögertes visuelles und verbales Erinnerungsvermögen, visuospatiale Fähigkeiten und Teile der exekutiven Funktionen. Als Therapie der Wahl gilt eine pneumatische Schienung der oberen Atemwege mittels kontinuierlichem positiven Atemwegsdruck (CPAP) Gerät. Durch die CPAP Therapie lässt sich die Gesundheit der Patienten auch während der perioperativen Periode verbessern. Mittels CPAP Therapie lassen sich bereits nach zwei bis drei Monaten die exekutiven Funktionen und das verbale Erinnerungsvermögen verbessern. Auch deswegen werden die beschriebenen Einschränkungen der kognitiven Fähigkeiten auf intermittierenden Hypoxiephasen beim Schlaf zurückgeführt Andererseits gibt es basierend auf der beschriebenen intermittierenden Hypoxie auch Hinweise auf präkonditionierende oder sogar organ-protektive Effekte.

Digitale Datenauswertung intensivmedizischer und anästhesiologischer Behandlungsdaten

Im Zeitalter digitaler Datenerhebung und Datenverarbeitung lassen sich erhebliche Mengen an Einzelparametern im Rahmen der Patientenversorgung erfassen. Dabei werden punktuelle Messwerte wie auch fortlaufende Messpunkte aufgezeichnet. Zugleich ist in den letzten Jahren mehr und mehr die „Big Data“ Analyse und Datenverarbeitung durch bspw. „Künstlich Intelligente Algorithmen“ in den wissenschaftlichen Fokus gerückt. Die Prädiktion und Risikovorhersage für perioperative Komplikationen und damit die konsekutive Vermeidung schwere Krankheitsverläufe spielt bei dieser modernen und innovativen, digitalen Datenanalyse eine zentrale Rolle.

Prehabilitation

Im Zuge des zunehmenden kalendarischen Alters unserer Patienten und den modernen interventionellen wie auch chirurgischen Therapieverfahren verschieben sich die Grenzen des therapeutisch Machbaren immer weiter in die älteren Patientengenerationen. Dieser Fortschritt wird allerdings auch durch begleitende Faktoren wie präoperativer Muskelaufbau oder Ernährungsanpassung ermöglicht wodurch sich physiologische Mangelzustände des alternden Menschen kompensieren lassen. Wissenschaftlich haben sich diese als Konzept der Prehabilitation bekannten Massnahmen bereits als sinnvoll herausgestellt. In der aktuellen Forschung werden derzeit die Prehabilitation Konzepte zu kognitivem Training untersucht. Es wird vermutet, dass auch diese Maßnahmen in der elektiven Patientenversorgung protektive Effekte auf das kognitive Outcome der älteren Patienten hat.

Kooperationen

  • Klinikum Stuttgart - Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie für Ältere
  • Klinikum Stuttgart - Klinik für Neuroradiologie
  • Klinikum Stuttgart - Klinik für Hals Nasen Ohren Heilkunde
  • Technische Universität München – Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin
  • Fachhochschule Aalen - Institut für Wirtschaftsinformatik
  • Harvard Medical School Boston/USA - Beth Israel Deaconess Medical Center - Department of Anesthesia, Critical Care and Pain Medicine

Bei Interesse an der Mitarbeit und Gestaltung wissenschaftlicher Themen, freuen wir uns auf eine Rückmeldung via mail an so.wagner@klinikum-stuttgart.de