Cooperative OsteoSarkom Studiengruppe (COSS)

Überblick Behandlung

Die erfolgreiche Behandlung konventioneller (hochmaligner) Osteosarkome beruht auf zwei Kernbestandteilen:

  • Operationen aller erkennbaren Herde (Primärtumor und ggf. Metastasen)
  • Chemotherapie

Hauptziel der Chemotherapie ist die Vernichtung kleinster, noch nicht erkennbaren Metastasen (Mikrometastasen). Wird mit der Chemotherapie bereits vor Entfernung des Primärtumors begonnen (sog. präoperative oder neoadjuvante Chemotherapie), so kann ihre Wirkung am Tumor selbst abgeschätzt werden. Auch wird Zeit zur Operationsplanung gewonnen. Chemotherapie alleine, ohne Operation, ist jedoch nicht dazu in der Lage, den Tumor und seine evtl. bereits erkennbare Metastasen (= Makrometastasen) zu zerstören.

Beim Osteosarkom erfolgt die Behandlung routinemäßig im Rahmen sog. Therapieoptimierungsstudien. Im deutschsprachigen Raum werden diese von der Cooperativen Osteosarkomstudiengruppe (COSS) durchgeführt.

Chemotherapie

Die Chemotherapie besteht in der Regel aus zwei Teilen: einem Abschnitt vor der Operation (=neoadjuvante/präoperative Chemotherapie) und einem Abschnitt nach der Operation (=adjuvante/postoperative Chemotherapie). Der Vorteil einer bereits vor der Operation beginnenden Chemotherapie ist die Möglichkeit, das sog. Ansprechen des Tumors auf die Chemotherapie beurteilen zu können, d. h. in welchem Ausmaß der Tumor durch die Chemotherapie geschädigt wird und wie gut die Medikamente bei den einzelnen Tumoren wirken. Hierdurch werden wichtige Erkenntnisse für die Behandlung gewonnen. Der präoperative Abschnitt dauert etwa 10 Wochen.  Die Gesamtdauer der Behandlung beträgt etwa 8-10 Monate. Als wirksam haben sich bislang vor allem die Substanzen Adriamycin, Cisplatin, Hochdosis-Methotrexat (mit Leucovorin-Rescue) und Ifosfamid erwiesen. Im deutschsprachigen Raum wird die Chemotherapie meist nach Protokollen der Cooperativen Osteosarkomstudiengruppe (COSS) durchgeführt.

Operation

Ziel                                                                                                                  

Ziel der Operation sollte vorrangig immer die Entfernung des Tumors im sicher gesunden Gewebe sein. Hierbei sollten nach der Definition von Enneking et al (1980) weite Resektionsgrenzen erreicht werden. Weite Resektionsgrenzen bedeuten, dass der Tumor inclusive des Biopsiekanals und der Biopsienarbe unverletzt (= nicht eröffnet) und allseitig umhüllt von einer durchgehenden Schicht gesunden Gewebes entfernt wird. Dies kann im Einzelfall durch extremitätenerhaltende Verfahren erreicht werden oder den Verlust eines Abschnitts einer Extremität bedeuten (=ablative Verfahren).

Wie dick die Schicht allseitig umhüllende Schicht an gesunden Gewebe sein muss (= erforderlicher Sicherheitsabstand) hängt u.a. auch vom Grad des Tumoransprechens ab, d.h. wie stark der Tumor durch die bereits durchgeführte Chemotherapie geschädigt und verkleinert worden ist.  Bei schlecht ansprechenden Tumoren kann es unter Umständen im Einzelfall wegen der Lokalrezidivgefahr (= Rückkehr des Tumors nach seiner Entfernung am ehemaligen Entstehungsort) mit ihren Folgen besser sein, auf eine extremitätenerhaltende Operation zu verzichten. Auf die sorgfältige Kontrolle des Tumorverlaufs unter der präoperativen Chemotherapie und auf die Verantwortlichkeit des behandelnden Arztes - im (seltenen) Einzelfall - eine vorzeitige Operation zu indizieren, sei hingewiesen.

Extremitätenerhaltene Operationen

Mehr als 80% der Patienten mit Osteosarkomen können heute extremitätenerhaltend operiert werden. Zu den etablierten Wiederherstellungsmöglichkeiten bei extremitätenerhaltenden Operationen zählen die Tumorendoprothese (= Wiederherstellung des entfernten Knochens durch einen künstlich hergestellten Ersatz aus Metall/Kunststoff), biologische Rekonstruktionen (= Wiederherstellung des entfernten Knochens durch einen  körpereigenen Knochen) z.B. Fibulainterposition, Segmenttransfer oder Hüftverschiebeplastik und im deutschsprachigen Raum seltener Allografts (= Wiederherstellung des entfernten Knochens durch einen Knochen eines anderen Menschen). Eine Sonderstellung zwischen extremitätenerhaltenen und den ablativen Operationsverfahren nimmt die Umkehrplastik ein. Bei einem Osteosarkom des Oberschenkels oberhalb des Knies bedeutet eine Umkehrplastik, dass nach Entfernung des tumortragenden Abschnittes (Knie und ein Teil des Oberschenkels) der Unterschenkel mit Fuß um 180° gedreht und am Oberschenkel angesetzt wird. Nun kann das Fußgelenk auf Höhe des ehemaligen Knies die Aufgabe des Knies übernehmen. Hierdurch kann im Vergleich zur Amputation die Funktion des Beines verbessert werden, da ein Gelenk weniger verloren geht.  Die Umkehrplastik  stellt im Kindesalter eine vernünftige Alternative zur Amputation oder den bislang komplikationsreicheren Wachstumsendoprothesen dar. Wenn immer möglich, werden biologische Rekonstruktionsverfahren favorisiert, da sie ein dauerhaftes Ergebnis realisieren können.

Der Vorteil der Tumorendoprothetik liegt in der hohen Primärstabilität, jedoch sind im langfristigen Verlauf Folgeeingriffe aufgrund von mechanischen Komplikationen oder Infektionen sehr häufig. Die Beckenendoprothetik hat bei Patienten mit einem Osteosarkom aufgrund der hohen Komplikationsrate und dem schlechten funktionellen Outcome heute kaum noch einen Stellenwert. Hier sind biologische Rekonstruktionsverfahren, wie z.B. die Hüftverschiebeplastik erfolgversprechender.

Ablative Operationsverfahren

Ablative Operationsverfahren stellen kein Versagen des Operateurs oder des Therapiekonzepts dar, sondern können im Einzelfall aufgrund der Tumorlokalisation, der Tumorausdehnung, des Ansprechens auf die vor der Operation durchgeführte Chemotherapie und nicht zuletzt aufgrund des sehr jungen Alters einiger Patienten auch heute induziert sein. Vor einer ablativen Operation sollte eine Zweitmeinung des Operations-Panels der COSS-Studie eingeholt werden.

Behandlung von Primärmetastasen

Primäre Lungenmetastasen

Patienten mit primären Lungenmetastasen (= schon zum Diagnosezeitpunkt bildgebend festgestellte Lungenmetastasen) erhalten in der Regel die gleiche Chemotherapie wie Patienten ohne manifeste Primärmetastasen. Sie werden in der Regel zum üblichen Zeitpunkt an ihrem Primärtumor operiert. Die Entfernung der Metastasen kann einige Wochen später  erfolgen. Dabei sollte  hochdosiertes Methotrexat nicht als erstes Mittel nach Thorakotomie zur Anwendung kommen.

Auch bei scheinbar einseitigem Lungenbefall, wird empfohlen, beide Lungen während der Thorakotomie zu explorieren, da operativ nicht selten mehr Herde gefunden werden als mit bildgebenden Verfahren zuvor nachweisbar waren. Der (erfahrene) Thoraxchirurg findet auch histologisch devitaliserte (= nicht mehr lebendige) kleinste Metastasen durch Palpation. Auch bei röntgenologisch vollständiger Rückbildung sämtlicher Metastasen unter der präoperativen Chemotherapie empfiehlt die COSS-Gruppe eine operative Abklärung. 

Primäre ossäre und sonstige Fernmetastasen

Bezüglich der Chemotherapie sollten die für primäre Lungenmetastasen getroffenen Empfehlungen gelten. Wenn eine kurative Therapie (= Therapie die zur Heilung des Patienten führen soll) angestrebt wird, sollten sämtliche Tumormanifestationen entfernt werden. Bei inoperablen Metastasen oder unzureichenden Resektionsgrenzen ist eine Bestrahlung zu empfehlen.

Skip-Metastasen

Patienten mit Skip-Metastasen erhalten in der Regel die gleiche Chemotherapie wie Patienten ohne Metastasen. Die Skip-Metastasen sollten unter Beachtung onkochirurgischer Radikalitätskriterien zusammen mit dem Primärtumor entfernt werden.

Nebenwirkungen der Chemotherapie

Allgemeines

Chemotherapie verursacht neben den erwünschten Wirkungen auch Nebenwirkungen. Man muss dabei zwischen akuten Nebenwirkungen während oder unmittelbar nach der Behandlung und den Spätfolgen der Behandlung unterscheiden.

Die akuten Nebenwirkungen der Chemotherapie sind individuell unterschiedlich stark ausgeprägt. Folgende akute Nebenwirkungen sind häufig: Übelkeit und Erbrechen, Haarausfall, Schleimhautentzündungen (Mund, Darm), Schädigung des Knochenmarks und Störung der Blutbildung. Sinkt die Konzentration der weißen Zellen im Blut (Leukozyten), so ist mit einer erhöhten Infektionsgefahr zu rechnen. Ein Abfall der Blutplättchen (Thrombozyten) birgt die Gefahr von Blutungen und Hämatomen. Ein Mangel an roten Blutzellen kann zu allgemeiner Schwäche, Kopfschmerzen, leichter Ermüdbarkeit und Kurzatmigkeit führen.

Nur Zentren, die über ausreichende Erfahrung mit komplexen Chemotherapien und der Beherrschung ihrer Nebenwirkungen verfügen, sollten Osteosarkompatienten behandeln.

Schädigung des Herzens (= Kardiotoxizität)

Doxorubicin (= Adriamycin) ist essentieller Bestandteil der Osteosarkom-Chemotherapie. Das Herz kann durch das Doxorubicin jedoch geschädigt werden. Sehr schwere Schädigungen sind mit den derzeit verwendeten Osteosarkom-Protokollen jedoch eher selten. Klinisch tretten diese als sog. dilatative Kardiomyopathie in Erscheinung. Riskiofaktoren sind die kumulative Dosis und die Dauer der Infusion (kurze Infusion = höheres Risiko). Um die Herzfunktion zu überprüfen, eignet sich die Echokardiographie, die vor Doxorubicingabe und in der Langzeitnachsorge zum Einsatz kommt.

Schädigung des Gehörs

Hörverluste können durch Cisplatin verursacht werden und betreffen meist beide Ohren. In der Regel beginnen die Hörverluste den oberen Frequenzbereich. Sie können aber auch auf die tieferen Frequenzen des Hauptsprachbereiches übergreifen.  Als Risikofaktoren gelten u. a. hohe kumulative Dosen, hohe Spitzenspiegel, geringes Lebensalter und Lärmbelastung. Vor Cisplatingabe wird das Hörvermögen mit dem sog. Audiogramm überprüft.

Schädigung der Niere (=Nephrotoxizität)

Die Funktion der Niere kann durch Hochdosis-Methotrexat, Cisplatin und Ifosfamid beeinträchtigt werden. Ist die Ausscheidung von Hochdosis-Methotrexat über die Nieren verzögert und entsteht ein Nierenversagen, wird die Exposition des Patienten gegenüber MTX verlängert und das Risiko für andere Methotrexat-Toxizitäten wie z.B. Dermatitis oder Mukositis erhöht. Um solsche Nebenwirkungen zu vermeiden, erfordert die Methotrexat-Gabe umfangreiche Supportivmaßnahmen. An damit erfahrenen Einrichtungen sind schwerste Methotrexat-Nebenwirkungen selten.

Cisplatin kann die Rückresorption von Elektrolyten (Magnesium, Calcium, Kalium)  in der Niere stören und auch durch direkte Schädigung der Oberflächenzellen der Niere zu einem Verlust an Magnesium führen. Folge ist ein Mangel an diesen Elektrolyten im Körper. Aber auch die Filtrationsrate der Niere (GFR) wird dosisabhängig beeinflusst. 

Ifosfamid beeinträchtigt die Rückresorption von bestimmten Stoffen (u.a. Glucose, Aminosäuren, Phopshat und Bicarbonat). Dies kann zu Störungen des Elektrolyt- und Säure-Basen-Haushaltes und zu einer unzureichenden Mineralisation des Knochens führen. Als Risikofaktoren gelten hohe kumulative Ifosfamid-Dosen, gleichzeitige Therapie mit Cisplatin und der Verlust einer Niere. Weiterhin kann Ifosfamid zu einer hämorrhagischen Harnblasenentzündung führen. Werden die erforderlichen Voruntersuchungen und die notwendigen Begleitmaßnahmen an erfahrenen Zentren durchgeführt, so treten schwere Nierenfunktionsstörungen nur selten auf.

Infertilität

Cisplatin und Ifosfamid können die Fertilität (=Fruchtbarkeit) beeinträchtigen. Männer entwickeln Fertilitätsstörungen bereits bei geringen Dosen von Ifosfamid als Frauen. Ihnen wird empfohlen, vor Therapiebeginn Sperma einzulagern.

Sekundärmalignome

Das Risiko für Patienten nach einer Behandlung eines Osteosarkoms  eine weitere Krebserkrankung zu erleiden ist im Vergleich zur restlichen Bevölkerung erhöht. Etwa 2-4 Prozent aller Patienten entwickeln Sekundärmalignome. Ein erhöhtes Risiko besteht in absteigender Reihenfolge u.a. für Leukämien, myelodysplatische Syndrome, Brustkrebs und Hirntumore.

Prognose

Durch Kombination aus Chemotherapie und Operation liegen die Langzeitüberlebensraten bei ca. 66 – 75 %. Selbst im metastasierten Stadium ist in etwa einem Drittel der Fälle eine Heilung möglich.

Das histologische Ansprechen auf die neoadjuvante Chemotherapie, das vom Pathologen anhand des Operationspräparates beurteilt wird, gilt als einer der wichtigsten Prognosefaktoren. Im deutschsprachigen Raum wird das histologische Ansprechen auf die Chemotherapie vom Pathologen am Operationspräparat nach der Einteilung von  Salzer-Kuntschik et al. klassifiziert. Bei „gutem Ansprechen“ weist das Tumorgewebe weniger als 10 %, bei „schlechtem Ansprechen“ über 10 % vitale Tumorzellen auf. Weitere prognostische Faktoren sind Tumorgröße, Tumorlokalisation und Primärmetastasierung.

Ohne Therapie wird die Osteosarkomerkrankung nur um Monate überlebt. Mit alleiniger operativer Therapie beträgt die Heilungswahrscheinlichkeit nur 10 % - max. 20 %.