Stuttgarter Genesungsgeschichten

Mit dem Bike hoch hinaus

Willy

Im März 2014 wurde Willy K. die Prostata entfernt. Ein halbes Jahr später plant er wieder eine Mountainbike-Tour durch die Alpen.

Das Fahrradfahren fehlt ihm. Den Großglockner hat er schon mit dem Bike bezwungen, ebenso das Timmelsjoch und zahlreiche andere Bergstrecken in Österreich, jetzt aber hat er vorübergehend Fahrrad-Verbot. Sechs Monate muss Willy K. auf sein Mountain-Bike verzichten, bis "da unten" alles richtig verheilt ist. Dem 65-Jährigen war im März 2014 die Prostata entfernt worden und die Druckbelastung im Beckenbereich durch den schmalen Fahrradsattel würde der vollständigen Ausheilung entgegenwirken. "Nach einer radikalen Prostatektomie ist es wichtig, sich konsequent an die Vorgaben der Rehabilitation zu halten, um Kontinenz und Potenz nicht zu gefährden", sagt Professor Dr. Ulrich Humke, Ärztlicher Direktor der Klink für Urologie am Katharinenhospital. Willy K. hält sich daran und lässt das Fahrrad stehen. "Ich nehme das sehr ernst, denn ich weiß, dass es jetzt an mir liegt, ob alles wieder richtig funktioniert."

2014 wollte Willy K. einiges ändern. 34 Jahre war es als selbständiger Unternehmer tätig gewesen, hatte in seinem Maschinenbaubetrieb bis zu 28 Mitarbeiter beschäftigt. Jetzt war es 65 Jahre alt geworden, hatte sein Unternehmen in jüngere Hände abgegeben und wollte kürzertreten. Zusammen mit einem Freund hatte der Spezialist für Automatisierungstechnik zwar gleich ein neues Unternehmen gegründet, „aber nicht mehr weil ich Geld verdienen muss, sondern weil uns immer noch so viele innovative Ideen im Kopf herumschwirren.“ Dass das Jahr 2014 dann völlig anders begann, hatte er nicht auf der Rechnung.

Zu Willy K.s persönlichem Change Management gehörte damals auch ein gründlicher Gesundheits-Check. Da er die empfohlenen Vorsorgeuntersuchungen stets absolviert hatte, sollte auch dieser Check nur Routine sein. Ein geringfügig veränderter Blutwert allerdings machte den Hausarzt stutzig und er überwies Willy K. zu einer Fachärztin für Urologie. Eine Sonographie und eine Biopsie brachten es dann an den Tag: In seiner Prostata hatte sich ein Karzinom gebildet.

Willy K. repariert sein Fahrrad
Willy K. repariert sein Fahrrad
Willy K. schiebt sein Fahrrad

"Das war natürlich im ersten Moment ein ganz schöner Schock", erinnert sich Willy K. an jenen Tag im Dezember 2013, als ihm sein Hausarzt die Diagnose Prostatakrebs eröffnete. "Doch er hat keine Tragödie daraus gemacht und hat mir alles gut erklärt." Und er überwies ihn an Professor Humke nach Stuttgart. "Eine solche Diagnose am Ende des Arbeitslebens ist natürlich ein Schlag ins Kontor", sagt der Urologie-Chefarzt des Katharinenhospitals. "Das Prostatakarzinom wurde aber zum Glück rechtzeitig diagnostiziert, in einem frühen Stadium." Der Tumor hatte noch keine Metastasen gebildet, ein halbes Jahr später hätte es schon ganz anders aussehen können. Deshalb habe ihn die Diagnose letztendlich auch nicht umgehauen. "Dazu bin ich viel zu sehr Kämpfernatur", sagt Willy K.

Im Katharinenhospital besprach Professor Humke mit ihm die Behandlungsoptionen: Bestrahlung oder Operation. Willy K. entschied sich für den operativen Eingriff, da damit das "Objekt", wie er den Tumor ganz pragmatisch nennt, endgültig weg sei. Der erste OP-Termin im Februar musste dann allerdings kurzfristig abgesagt werden, da ein Notfall die OP-Kapazitäten der Urologie belegte. Beim nächsten Anruf aus der Klinik rechnete er schon mit einer weiteren Verlegung, aber es kam, wie er heute sagt, viel besser: "Ich wurde gefragt, ob ich etwas dagegen hätte, mit Hilfe eines Roboter-unterstützten Verfahrens operiert zu werden." Als Maschinenbauer, der in seiner Firma selbst viel mit Robotern zu tun hatte und von dieser Technologie schon immer begeistert war, musste er nicht lange überlegen und sagte sofort zu.

Die Urologie am Katharinenhospital hatte kurz zuvor ein „da Vinci“-Operationssystem angeschafft und Willy K. wurde der erste Patient, der von diesem Roboter-unterstützten Operieren profitierte. Beim "da Vinci"-System sitzt der Operateur an einer Steuerkonsole, in welcher das OP-Feld stark vergrößert dreidimensional abgebildet ist, und bedient durch die Bewegung seiner Hände und Finger Optiken und Operationsinstrumente. Diese Bewegung wird über hochempfindliche Sensoren an die Arme eines OP-Roboters übertragen, die die realen Instrumente im Bauchraum des Patienten führen. "Der Roboter führt also exakt die Bewegungen aus, die ihm der Operateur vorgibt", erklärt Professor Humke. Er spricht daher von Roboter-unterstütztem und nicht von Roboter-gesteuertem Operieren.

Das neue System verbindet die Vorteile der offen-chirurgischen Operation, wie u.a. feine Präparation, exaktes Nähen, hervorragende anatomische Orientierung, mit den Vorteilen der minimalinvasiven Verfahren, u.a. geringer Blutverlust, beschränkter Schmerzmittelbedarf, schnelle postoperative Mobilisierung. "Das da Vinci-System ist so präzise wie eine offen-chirurgische und so schonend wie eine laparoskopische Operation", urteilt Professor Humke. Die Möglichkeiten des neuen OP-Systems, das eingespielte Team der Urologie mit Ärzten, Pflegekräften und Physiotherapeuten sowie die Kämpfernatur des Willy K. ergaben dann auch eine rasante Heilungsgeschichte: Am Abend des OP-Tages konnte er schon allein zur Toilette, zwei Tagen danach benötigte er keine Schmerzmittel mehr, nach neun Tagen durfte er nach Hause. "Den medizinischen Erfolg der ersten 'da Vinci'-Operation am Katharinenhospital hatte da die pathologische Untersuchung der entnommenen Prostata und Lymphknoten bereits bestätigt", so Professor Humke.

Zu Hause ging Willy K. regelmäßig zur Beckenbodengymnastik und führte konsequent seine Übungen durch. Und so waren bereits nach drei Wochen keine Einlagen mehr nötig und er konnte wieder ins Berufsleben einsteigen. "Nach einem Monat hatte ich dann keinerlei Beschwerden mehr, auch bei voller körperlicher Belastung", sagt Willy K., der überzeugt ist, dass bei einer normalen Operation alles einiges länger gedauert hätte. Die so schnell wiedergewonnene Lebensqualität empfindet er daher auch "wie einen Sechser im Lotto".

„Es geht mir phänomenal“, sagt Willy K. sechs Wochen nach dem Eingriff und erzählt von seinen Planungen für den Herbst. Mit seiner Frau geht es an den Ossiacher See in Kärnten. Sie will baden, er will sich auf sein Mountain-Bike schwingen. Denn im September hat endlich auch das leidige Fahrrad-Verbot ein Ende.