Computergestütztes Operieren mit Da Vinci

Roboterhilfe

Operationsteam mit dem "Da Vinci"-System
Da Vinci-Operationssystem im Einsatz

Seit März 2014 verfügt die Urologische Klinik am Katharinenhospital über ein „da Vinci“-Operationssystem. Es bietet dem Operateur eine große Bewegungsvielfalt und perfektioniert damit das Operationsergebnis. Zunächst wird es bei Prostatakrebs-Eingriffen eingesetzt, kurzfristig sind damit auch andere urologische Operationen geplant.

Offen-chirurgisch oder minimalinvasiv? Die Frage, welche dieser beiden Operationsmethode die bessere ist, lässt sich nicht eindeutig beantworten. Viele Faktoren spielen bei der Entscheidung eine Rolle, etwa die Indikation, der Allgemeinzustand des Patienten oder schlicht die Präferenzen von Operateur bzw. Patient. Und es haben ja auch beide Systeme ihre Vorteile. Für die minimalinvasive Operation genügen kleine Schnitte, die sich kosmetisch gut verbergen lassen. Kleine Schnitte bedeuten auch geringere postoperative Schmerzen, was ebenso wie der geringere Blutverlust zu einer schnelleren Erholung des Patienten führt. Die offene Operation bietet dagegen einen uneingeschränkt dreidimensionalen Blick auf das Operationsgebiet. „Bei der minimalinvasiven Laparoskopie geht uns eine Dimension in der Orientierung verloren, außerdem ist die Beweglichkeit der Instrumente in der Bauchhöhle limitiert“, sagt Professor Dr. Ulrich Humke, Ärztlicher Direktor der Urologie des Katharinenhospitals. Manche OP-Teilschritte, etwa das Nähen sehr feiner Strukturen, gelingen daher offenchirurgisch oft exakter und auch wesentlich schneller.

Die Frage nach der besseren Operationsmethode ließe sich also umgehen, wenn man die Vorteile beider Verfahren kombinieren würde. Genau das macht das da Vinci-Operationssystem, das seit Anfang März in der Klinik von Professor Humke im Einsatz ist. „Das da Vinci-System ist so präzise wie eine offen-chirurgische und so schonend wie eine laparoskopische Operation.“

OP-Roboter folgt den Vorgaben des Operateurs

Das Erfolgsgeheimnis steckt dabei in der technischen Ausgestaltung des Systems. Denn der Operateur bedient Optik und Arbeitsinstrumente im Bauch des Patienten nicht direkt, sondern sitzt einige Meter entfernt an der Steuereinheit des Systems. Dort wird durch die in der Bauchhöhle platzierte Spezialoptik stark vergrößert ein dreidimensionales Live-Bild des Operationsgebietes eingeblendet, samt der Instrumente, die sich aktuell im Bauchraum des Patienten befinden. Über Handgriffe kann der Chirurg diese Instrumente, etwa Pinzette, Schere oder Nadelhalter, exakt mit seinen Händen bewegen und entsprechende Operationsschritte ausführen.

Seine Bewegungen werden elektronisch an die Operationseinheit – einen vierarmiger OP-Roboter – übertragen, welcher die realen Instrumente im Patienten tatsächlich bewegt und dabei die Vorgaben des Chirurgen exakt ausführt – sogar unter Herausfiltern der Zitterbewegung seiner Hände. Der Operateur arbeitet an der Steuereinheit also quasi offen-chirurgisch, während der OP-Roboter zeitgleich dessen Tun minimalinvasiv in die Realität umsetzt.

Wobei der Begriff OP-Roboter die Sache nicht richtig trifft: „Es ist kein Roboter im eigentlichen Sinne, der programmiert wird und dann selbsttätig arbeitet“, betont Professor Humke. Richtiger ist deshalb der Begriff computerunterstütztes Operieren, denn der Roboter führt lediglich die Bewegungen aus, die ihm der Operateur vorgibt. „Der Clou dabei sind die Sensorarme der Steuereinheit, die  sogenannten Master, die der Operateur mit nur drei Fingern jeder Hand führt und die jede Bewegung von Handgelenk und Fingern aufnehmen und exakt weiterleiten. Sie sind so gelenkig, dass eine ungeheure Bewegungsvielfalt entsteht“, erklärt der Chefarzt. Während die menschliche Hand über fünf Freiheitsgrade verfügt, was ihr Bewegungen in alle möglichen Richtungen erlaubt, packt das da Vinci-System nochmals zwei Freiheitsgrade drauf. „Mit dem da Vinci-System ist die Flexibilität der Bewegung perfektioniert.“

Da Vinci ermöglicht die „perfekte Naht“

Zunächst setzt Professor Humke das da Vinci-System für Eingriffe an der Prostata ein. „Die Prostata liegt tief im Becken des Mannes“, so der Urologe, „was die offene Operation sehr aufwendig macht. Vor allem die radikale Prostatektomie bei Prostatakrebs ist daher schon immer eine Domäne der Laparoskopie.“ Was nicht heißt, dass die minimalinvasive Entfernung der Prostata einfach ist, im Gegenteil, der Eingriff ist sehr komplex. Denn ist die Prostata aus dem Gewebe gelöst und entfernt, müssen Harnröhre und Blase wieder miteinander verbunden werden. „Da Harnröhre und Schließmuskel sehr feine, empfindliche Strukturen sind, ist diese Naht laparoskopisch eine echte Herausforderung“, sagt Professor Humke. „Mit dem neuen System aber schaffen wir jetzt eine anatomisch perfekte und wasserdichte Naht.“

Dadurch wird auch die Zeit der vorübergehenden Inkontinenz, eine unvermeidbare Folge jeder Prostata-Operation, deutlich verringert. Dank der starken Vergrößerung des Operationsfeldes in der Steuereinheit kann der Operateur zudem die Anteile gesunden Gewebes, die er bei Tumoroperationen aus Sicherheitsgründen mitentfernt, geringer halten, was der Schonung von Nerven und Blutgefäßen für die Erektionsfunktion des Mannes zugute kommt.

Aus: Klinikum live, Ausgabe 01|2014