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Interview mit Dominik Gaser

Welche Hauptaufgaben übernehmen Sie im Bereich Sport und Bewegung? 

Seit Jahresbeginn 2025 etabliere ich die Sporttherapie in der Pädiatrie 5 mit dem Ziel, Kindern und Jugendlichen Zugang zu Sportangeboten über alle Phasen der Therapie zu ermöglichen. Hauptaufgaben sind Sportversorgung auf der Station und in der Tagesklinik, Beratung der Familien bei sportbezogenen Fragestellungen und – damit wir die positiven Auswirkungen im Bereich Sport / Onkologie auch nachweisen können – die konzeptionelle Arbeit beim Programmaufbau für eine wissenschaftliche Arbeit, eine multizentrische deutschlandweite Studie.

 

„Eine Frage, die ich immer wieder gestellt bekomme, auf die ich aber keine Antwort habe: Warum bezahlen die Krankenkassen keine Sporttherapie?“

Dominik Gaser, Sportwissenschaftler (Bereich pädiatrische Onkologie)

 

Wie sieht das Spektrum Ihrer sporttherapeutischen Angebote für Krebspatient:innen aus?

Wir bieten Kindern ab circa drei Jahren ein regelmäßiges, individuell gestaltetes, supervidiertes, an das Alter angepasstes Training auf der Station und ambulant in der Tagesklinik an fünf Wochentagen an. Wir entwickeln Trainingspläne für zu Hause, damit die Betroffenen auch während Therapiepausen in Bewegung bleiben. Dazu beraten wir Kinder zu sportbezogenen Themen während und nach der Therapie und unterstützen bei der Wiedereingliederung in Sportstrukturen (u.a. Sportunterricht Schule, Sportverein) in der Dauertherapie und Nachsorge.

 

Arbeiten Sie eng mit anderen Fachdisziplinen zusammen? Wenn ja, mit welchen?

Die Zusammenarbeit mit allen Berufsgruppen einer kinderonkologischen Station ist sehr wichtig, um ein ganzheitliches Bild der Kinder zu erhalten. Ich stehe im täglichen Austausch mit dem medizinischen Team, dem psychosozialen Team (Psychologen, Sozialpädagogen und Erzieherinnen), mit der Pflege, der Physiotherapie und anderen Therapeuten (z.B. Theater, Kunst).

Welche Herausforderungen begegnen Ihnen im Arbeitsalltag besonders häufig?

Die Sporttherapie in den Klinikalltag zu integrieren – und dabei die Bedürfnisse von Kindern zu berücksichtigen – ist manchmal gar nicht so einfach. Die Nebenwirkungen der Therapie können für die Betroffenen sehr belastend sein. Besonders herausfordernd ist es, Kinder zu motivieren, die schon vor der Therapie wenig Spaß an Bewegung hatten oder schlechte Erfahrungen mit Sport gemacht haben.

Mit spielerischen und nicht leistungsorientierten Ansätzen finden wir aber fast immer einen Weg, Freude an Bewegung zu wecken. Oft hilft es, Freunde oder Geschwister mit einzubeziehen. Auch digitale Bewegungsspiele kommen zum Einsatz – vor allem, um Jugendliche auf spielerische Weise in Bewegung zu bringen.

 

Nutzen Sie spezielle Geräte oder Technologien zur Unterstützung der Therapie?

Ich nutze alle Geräte und Trainingsmaterialien, die man aus dem Sportunterricht oder Fitnessstudio kennt: Bälle, Hanteln, Schwingstäbe, Ergometer, Seilzug, Sportspiele, Therabänder, Slackline, Schaumstoffwürfel für Geschicklichkeitsparkours, Tischtennis, Ballspiele, Wurfscheiben / Ziele, Stepper, Tubes, Rollbretter etc. Einzige Prämisse: Die Geräte sollten handlich und abwischbar sein. 

 

Warum ist Bewegung und Sport aus Ihrer Sicht besonders wichtig für Menschen mit Krebs?

Sport und Bewegung haben eine zentrale Rolle in der ganzheitlichen Entwicklung der Kinder. Grundsätzlich haben Kinder ein Recht auf Bewegung unabhängig von ihrer persönlichen Situation. 

Wir müssen Kindern Bewegungsräume auch im Krankenhaus schaffen, damit sie dem Bewegungsdrang nachgehen können. Bewegungsangebote reduzieren Liegezeiten und Zeiten körperlicher Inaktivität im Krankenhaus. Im Hinblick auf Spätfolgen der Erkrankung und Therapie geht es um die Vermittlung eines gesunden Bewegungsverhaltens. Wir sind als Behandlungsteam und Eltern Vorbilder hinsichtlich eines aktiven Lebensstils. 

Damit Jugendliche selbstbestimmt und eigenständig ihren Alltag (z.B. Toilettengang, Treppensteigen, sich anziehen) während der Krebstherapie meistern können, benötigen sie die notwendige Kraft, Ausdauer und Fitness, die sie durch regelmäßige Sporteinheiten erhalten.

 

Gibt es bestimmte Sportarten oder Trainingsformen, die Sie für Krebspatienten besonders empfehlen? Wenn ja, welche und in welchen Phasen?

Das ist abhängig von der Diagnose und den Einschränkungen. Allgemeine Empfehlungen, die für alle gelten, gibt es nicht. Ich orientiere mich an den sportlichen Vorerfahrungen, den Wünschen und den Handlungsempfehlungen, die in der S2k Leitlinie „Bewegungsförderung und Bewegungstherapie in der pädiatrischen Onkologie“ publiziert wurden.
Letztendlich geht es darum, das die Patienten ganzheitlich trainieren unter Berücksichtigung alle motorischen Fähigkeiten.

Selbst stark eingeschränkte Kinder haben die Möglichkeit, gering intensiv zu trainieren (z.B. sitzend oder liegend im Bett). Da die Kinder während der Therapie immunsuprimiert sind, können sie nicht in den Sportverein oder ein Fitnessstudio besuchen. Ich empfehle vor allem körperliche Aktivität im Alltag: zum Beispiel zu Hause (spazieren gehen mit Freunden/Eltern/dem Hund), Treppensteigen, Krafttraining mit Kleingeräten oder Alltagsgegenständen, um fit zu bleiben.

Nach Abschluss der Akuttherapie schaffen es die meisten Kinder wieder Anschluss im Sportverein zu finden. Ich unterstütze die Kinder auf der Suche nach geeigneten Sportarten. Herausfordernd ist die Suche nach Sportarten für Kinder mit Prothesenversorgung, nach Amputation und für Kinder mit Spätfolgen. Mittlerweile gibt es einzelne Reha- und Behindertensportangebote für Kinder mit Einschränkungen. Auch inklusive Sportangebote sind vor allem in Städten zugänglich.

 

Welche Strategien nutzen Sie, um die Patient:innen langfristig zur Bewegung zu ermutigen?

Wissensvermittlung und eine offene Kommunikation sind wichtige Schlüssel in der Zusammenarbeit mit betroffenen Familien. Dazu gehört es auch, mögliche Barrieren und Ängste abzubauen. Ein individuelles Sportangebot angepasst an die Bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen ist die Voraussetzung für eine erfolgreiche Umsetzung. Hinzu kommt, dass die Kinder freiwillig entscheiden, Sportangebote wahrzunehmen oder abzulehnen.

Auch eine langfristige Betreuung nach Therapieabschluss ist essenziell. Platz und Raum, um persönliche Erfolgserlebnisse zu schildern ist ebenso wichtig wie selbst ein sportliches Vorbild sein. Auch prominente Sportler können super als Vorbilder fungieren und die Motivation oben halten.

Kleiner Einblick in die Arbeit von Dominik Gaser


Wenn Kinder an Krebs erkranken, ist es mit Toben vorbei. Dabei ist Sport während der Therapie wichtig: Wie die Stuttgarter Kinderklinik ihre kleinen Patienten trainiert.

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Wie gehen Sie mit Rückschlägen oder Motivationsproblemen der Patient:innen um?

Ich nehme das sportlich und nicht persönlich, Rückschläge erleben alle Familien im Laufe der Therapie. Ich versuche sportliche Impulse zu geben, um Wege zu zeigen, die selbstbestimmt durch Täler führen. Durch die Zusammenarbeit mit den verschiedenen Berufsgruppen findet man in der Regel Lösungsansätze, um Kinder sowie deren Familien zu unterstützen.