Klinik für Strahlentherapie und Radioonkologie

Stereotaxie und Radiochirurgie eröffnen neue Therapiemöglichkeiten in der Krebsbehandlung

Der vierte Linearbeschleuniger ermöglicht die stereotaktische Strahlentherapie und die sogenannte Radiochirurgie. Mit dem Hochpräzisionsgerät lassen sich jetzt auch sehr schwer zugängliche Tumore im Bereich des  Kopfes und übrigen Körpers sicher und schonend behandeln.

Auch bei Tumoren, die bislang als nicht behandelbar galten, bietet der Stereotaxie-Beschleuniger völlig neue Therapiemöglichkeiten. In Zusammenarbeit mit den Spezialisten der Neurochirurgischen Klinik lassen sich mit dem Varian TrueBeam STx  insbesondere Hirntumore, aber auch Tumore und Metastasen am Rückenmark sehr schonend behandeln. Daneben sind Krebserkrankungen der Lunge und der Leber sowie Tumore bei Kindern und Jugendlichen weitere wichtige Anwendungsgebiete für die Hochpräzisionsstrahlentherapie. Darüber hinaus lassen sich auch andere Erkrankungen mit diesem innovativen Bestrahlungssystem behandeln, wie zum Beispiel arteriovenöse Malformationen (AVM). Dabei handelt es sich um gutartige, aber unter Umständen schwerwiegende  Erkrankungen der Blutgefäße, bei denen Arterien direkten Kontakt mit Venen haben, was zu Zirkulationsstörungen führt.

Teamfoto
Das Expertenteam des Interdisziplinären Zentrums für Hochpräzisionsstrahlentherapie Stuttgart (v.l.) OÄ Minou Nadji-Ohl, Prof. Dr. Oliver Ganslandt, Prof. Dr. Guido Nikkhah, Prof. Dr. Marc Münter, Ltd. MPE Nils Wegner, FA Stephan Baumbach

 
Das Expertenteam
des Interdisziplinären Zentrums für Hochpräzisionsstrahlentherapie Stuttgart (v.l.) OÄ Minou Nadji-Ohl, Prof. Dr. Oliver Ganslandt, Prof. Dr. Guido Nikkhah, Prof. Dr. Marc Münter, Ltd. MPE Nils Wegner, OA Stephan Baumbach

Alternative zur Operation

Linearbeschleuniger

Bei Tumorerkrankungen kann die Radiochirurgie als Alternative zu einer operativen Entfernung des Tumors eingesetzt werden. In anderen Fällen ist die stereotaktische Bestrahlung der zweite Behandlungsschritt nach einer zunächst durchgeführten Operation. Die Bestrahlung zerstört dann etwa Tumorreste in unmittelbarer Nähe zu kritischen funktionalen Hirnbereichen. In unserem neuen Interdisziplinären Zentrum für Hochpräzisionsstrahlentherapie Stuttgart erarbeiten Strahlentherapeuten und Neurochirurgen gemeinsam das optimale Vorgehen insbesondere bei Hirntumoren individuell für jeden Patienten.

In manchen Fällen ist eine einmalige Bestrahlung mit einer hohen Dosis zwischen 18 und 28 Gray ausreichend, um einen Tumor sicher, d.h. auch dauerhaft unter bestmöglicher Schonung des umgebenden gesunden Gewebes zu zerstören. Dieses einer Operation vergleichbare strahlentherapeutische Vorgehen in nur einer Therapiesitzung wird daher als Radiochirurgie bezeichnet. Daneben können Patienten mit dem neuen Beschleuniger auch im Rahmen der sogenannten fraktionierten Stereotaxie in zwei bis sechs, maximal zehn Sitzungen behandelt werden. In der Regel ist dazu ein stationärer Aufenthalt nicht nötig. Die meisten unserer Patienten behandeln wir ambulant, so dass sie nach der Bestrahlung ihren gewohnten Aktivitäten nachgehen können. 

Erreicht wird die mit einem exakten Schnitt vergleichbare Präzision der Bestrahlung durch bildgeführte modernste Computertechnik. Der Linearbeschleuniger ist dazu mit der Positionierungstechnologie Exactrac der Firma Brainlab ausgerüstet. Das System erlaubt es, den Behandlungstisch in den drei Raumdimensionen und allen erdenklichen Kippwinkeln auszurichten. Die Techniker sprechen hier von einer 6D-Positionierung, also in sechs Dimensionen. Wie bei jeder Strahlentherapie geht auch hier ein komplizierter Planungsprozess voraus. Lage und Größe des Tumors werden zunächst im Computertomografen (CT) oder mit der Magnetresonanztomografie (MRT) exakt bestimmt und anschließend Umfang und Intensität der Bestrahlung geplant. Nachdem das Bestrahlungssystem mit diesen Daten „gefüttert“ worden ist, wird der Patient mithilfe des Positionierungssystems auf dem Behandlungstisch zunächst optimal gelagert.

Der rotierende Arm der Bestrahlungseinheit bestrahlt den Tumor anschließend aus verschiedenen Winkeln. Dadurch ist es möglich, umliegendes Gewebe oder Organe bestmöglich auszusparen und auch verschiedene Bereiche mit unterschiedlicher Intensität zu bestrahlen. Hinzu kommt, dass der sogenannte Dosisabfall an den Rändern des Bestrahlungsfeldes sehr hoch ist. Das heißt, der Tumor im Bestrahlungsfeld erhält die geplante hohe Dosis bei gleichzeitiger  maximaler  Schonung umgebender Strukturen.

Bildgeführt erkennt das System kleinste Lageveränderungen

Während der Bestrahlung beobachtet das Bestrahlungssystem mit einem eigenen Röntgensystem ständig die Lage des Tumors und vergleicht sie mit den Aufnahmen aus dem Planungs-CT. Bei kleinsten Lageveränderungen des Tumors durch Bewegungen des Patienten oder Veränderungen im Körper unterbricht das System sofort die Bestrahlung. Das Positionierungssystem zeigt den medizinisch-technischen Mitarbeitern, die das System steuern, die Veränderung einschließlich der erforderlichen Korrektur an. Erst nach einer auf den Zehntelmillimeter genauen Nachjustierung des Behandlungstisches wird die Bestrahlung des Tumors fortgesetzt. Das geplante Bestrahlungsvolumen wird so über die gesamte Bestrahlungsdauer exakt erfasst.

Dank dieser hochpräzisen bildgeführten Positionierungstechnologie können Patienten, die zum Beispiel von einem Hirntumor betroffen sind, zudem deutlich schonender behandelt werden. Um zu gewährleisten, dass der Kopf während der Bestrahlung sicher und unbeweglich  positioniert ist, mussten die Patienten bislang einen Kopfring tragen, der mit Schrauben in der Schädelkalotte verankert wurde. Mit dem neuen Hochpräzisionsbestrahlungssystem ist eine nichtinvasive Form der Fixierung mit einer patientenfreundlichen Kopf- und Schultermaske ausreichend. Diese sogenannte rahmenlose Radiochirurgie bietet den Behandlern außerdem zusätzliche Flexibilität bei der Bestrahlungsplanung.