Brain mapping und feinste Instrumente

Jeder Punkt im Gehirn ist erreichbar

Neurochirurgisches Team bei der Arbeit

Bei Verdacht auf einen Hirntumor oder eine Hirnmetastase lassen sich die mit Computertomografie oder Kernspintomografie meist gut darstellen. „Mit modernen Operationsmethoden, den feinen Instrumenten und der hochmodernen Operationstechnik, die uns zur Verfügung stehen, sind wir heute in der Lage, praktisch jeden Punkt im Gehirn zu erreichen, um einen Hirntumor oder eine Metastase zu operieren“, berichtet Professor Ganslandt.

Nach dem Öffnen der Schädeldecke tasten sich die Neurochirurgen vorsichtig durch das vielfach aufgefaltete Gehirn. Dabei nutzen sie die natürlichen Spalträume und erreichen so den Tumor, ohne das Gehirngewebe zu verletzen. Die Schwierigkeit beginnt mit der eigentlichen Tumorentfernung.

„Bei Hirnoperationen bewegen wir uns häufig in wichtigen funktionalen Regionen, wie dem Sprachzentrum oder Bereichen, die für die Motorik verantwortlich sind, für die es aber im Gehirn keine Landmarken gibt.“ Die Neurochirurgen versuchen deshalb, sich vor der Operation ein möglichst genaues Bild vom Gehirn des Patienten zu machen, es quasi zu kartographieren. Unter dem Begriff „Brain Mapping“ werden die Verfahren zusammengefasst, die dafür zur Verfügung stehen.

Bei der Operationsplanung übernimmt daher die Klinik für Diagnostische und Interventionelle Neuroradiologie (Direktor: Prof. Henkes) eine wichtige Rolle. Sie liefert die für die Zugangsplanung zum eigentlichen Operationsort wichtigen Bilder aus dem Schädelinneren. Die hier gewonnen Daten dienen während der Operation dazu, mithilfe der Neuronavigation den möglichst schonenden Weg zu finden. Kürzlich hat die Klinik dazu ein neuartiges Gerät angeschafft, mit dem vor der Operation Sprachzentren und die Lage von für die Bewegung verantwortlichen Regionen noch genauer lokalisiert werden können. Zusätzlich werden auch während der Operation Ultraschall oder Computertomografie eingesetzt, um Veränderungen zu erkennen. Zudem können einzelne Gehirnzentren überwacht werden, indem die Gehirn- und Nervenströme mit Systemen zum intraoperativen Monitoring gemessen werden. In Einzelfällen führen die Neurochirurgen auch Wach-Operationen durch, bei denen der Patient bei örtlicher Betäubung wach bleibt und so Veränderungen  wie Beeinträchtigungen des Sprachzentrums, sofort erkennbar sind. Operiert wird mit besonders feinen Instrumenten unter dem Operationsmikroskop.

Durch den hohen technischen Aufwand und die mikrochirurgischen Operationstechniken sind Operationszeiten von acht bis zehn Stunden keine Seltenheit. Wie erfolgreich die Neurochirurgen einen Hirntumor behandeln können, hängt von vielen Faktoren ab. Neben der Lage im Gehirn spielt auch die Art des Tumors eine wichtige Rolle. Weniger aggressive Tumorarten sind zwar weniger gefährlich, aber auch oft kaum vom umliegenden Hirngewebe abzugrenzen. Die besonders bösartigen Varianten dagegen sind besser abzugrenzen, aber nicht selten in wichtige Gehirnstrukturen eingewachsen. In wenigen Fällen kann der Tumor gar nicht operiert werden. Dann beschränken sich die Neurochirurgen auf die Entnahme einer Gewebeprobe, eine Biopsie, mit der der Tumor genauer klassifiziert und die weitere Behandlung geplant werden kann. Bei Erwachsenen entfällt etwa die Hälfte der hirneigenen Tumore au  die sogenannten Glioblastome, eine besonders bösartige Variante.

„Unsere Aufgabe ist es, möglichst viel Tumorgewebe zu entfernen und dabei alle Funktionen des Gehirns zu erhalten“, erklärt Professor Ganslandt. Eine vollständige Entfernung des Hirntumors, eine sogenannte R0-Resektion – wie bei jedem anderen Tumor an anderen Stellen im Körper angestrebt – ist jedoch in der Regel nicht möglich. Hinzu kommt, dass Gehirntumore oft diffus im Gehirn wachsen. Professor Ganslandt macht die Wirkung mit einem Bild deutlich: „Wenn Sie einen Tropfen Tinte in ein Glas Wasser fallen lassen, spalten sich Teile des Tropfens ab und verteilen sich im ganzen Glas – so verhält sich auch ein bösartiger Tumor im Gehirn.“ Ziel der neurochirurgischen Operation ist es, das Leben des Patienten bei möglichst umfassendem Erhalt der Lebensqualität zu verlängern. Die Heilung eines Hirntumors ist bei einem Erwachsenen meistens nicht möglich. Kinder haben eine deutlich bessere Prognose. Hirnmetastasen dagegen, die als Absiedelungen anderer   Krebserkrankungen auftreten, können meist vollständig entfernt werden. Oft aber befinden sich bereits weitere Krebszellen im Gehirn, aus denen neue Metastasen entstehen können.

Die Operation selbst ist für die Patienten heute relativ wenig belastend. Meist schon eine Woche nach der Operation können sie die Klinik verlassen. „Die Zugänge im Schädel, die wir für die Operation benötigen, sind recht klein und unsere Operationsverfahren inzwischen so schonend, dass die Patienten sich rasch erholen“, berichtet Prof. Ganslandt. Das aus dem Schädel entfernte Knochenstück wird nach der Operation wieder eingesetzt und verwächst vollständig wie bei einem Knochenbruch.

Aus: Klinikum live, Ausgabe 02|2014

Kontakt

Prof. Dr. Oliver Ganslandt
Neurochirurgische Klinik
Telefon: 0711 278-33700
Telefax: 0711 278-33709 
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