Multimodales Schmerztherapieprogramm für Kinder und Jugendliche

Das Drei-Wochen-Programm gegen Schmerzen

In der Pädiatrischen Psychosomatik lernen die Kinder und Jugendlichen in einem dreiwöchigen Therapieprogramm, den Teufelskreis der Schmerzen zu durchbrechen. 

„So wie jeder Schmerz unsere Wahrnehmung, unser Empfinden und unser Verhalten beeinflusst, so ist umgekehrt unsere Psyche in der Lage, den Schmerz zu verstärken oder auch auszuschalten“, sagt Dr. Blankenburg und nennt ein Beispiel, das er auch seinen Patienten zu Beginn erzählt: Es geht um den US-amerikanischen Leichtathleten Manteo Mitchell. Ohne es zu wissen, trat er bei den Olympischen Sommerspielen 2012 mit einem angeknacksten Wadenbein das 4x400-Meter-Halbfinale an. An der 200-Meter- Marke brach sein Wadenbein unter der Belastung endgültig durch. Trotzdem lief der Sprinter bis zum Ende durch und sorgte für den Einzug seines Teams ins Finale. Erst im Ziel brach er zusammen. „Nicht auszudenken, welche Schmerzen der Mann gehabt haben muss, doch sein Wille zu siegen, hat ihn dermaßen vom Schmerz abgelenkt, dass er ihn nicht spürte“, so Dr. Blankenburg weiter.

„Wenn die Tiere ins Gehirn kommen, geht der Schmerz raus“

Ablenkung vom Schmerz – das ist ein wichtiges Prinzip, auf dem die dreiwöchige Therapie im Olgahospital aufgebaut ist. Die Kinder lernen ihre Aufmerksamkeit umzuleiten. Das funktioniert zum Beispiel über Methoden wie das Ablenkungs-ABC: Der Patient überlegt sich alle Tiere mit A, dann mit B, dann C und so weiter. „Das hört sich leicht an, ist aber unter Schmerzen schwierig“, sagt der Chefarzt. „Ich sage immer zu den Kindern: Wenn die Tiere ins Gehirn kommen, geht der Schmerz raus.“ Eine andere Methode ist, sich fünf Sachen zu vergegenwärtigen, die man gerade sieht, fünf, die man hört, und fünf, die man spürt. „Das sind Ablenkungsmethoden, die jeder, der Schmerzen hat, anwenden kann, zum Beispiel auch Tumorpatienten.“ Im nächsten Schritt lernen die Kinder, ihre „schwarzen“ Gedanken und Gefühle abzubauen. Dies geschieht zum Beispiel über den „sicheren Ort“. Gemeinsam mit dem Psychologen richten die Patienten diesen Ort in ihrer Fantasie ein und können sich dorthin begeben, wenn es ihnen nicht gut geht. „Doch schon allein die Tatsache, dass sie hier in der Gruppe erleben, nicht die einzigen mit diesen Problemen zu sein, hilft den Kindern enorm.“ Sowieso lernen die Kinder und Jugendlichen sehr voneinander, helfen sich gegenseitig.  „Oft kommt es bei den Kindern besser an, wenn sie sich gegenseitig erklären, was ihnen geholfen hat, den Schmerz loszuwerden“, sagt Dr. Blankenburg.

Schließlich werden den Patienten über Biofeedbackverfahren die körperlichen Stressreaktionen, die Schmerzen, negative Gedanken und Gefühle bei ihnen auslösen, sichtbar gemacht. „Eine Messsonde am Finger misst Reaktionen wie Hautwiderstand,  Blutdruck und Schweißproduktion und zeigt eine Kurve am Computerbildschirm.“ Diese verändert sich, wenn die Kinder ihre Übungen machen – sie können es sehen. Biofeedback dient also einer Bewusstseinsschärfung für eigene innere Zustände und einer Kontrolle des Therapieerfolgs.

In der Regel kommen die Patienten auf Dauer ohne Schmerzmedikamente zurecht. In manchen Fällen ist eine gezielte medikamentöse Schmerztherapie zusätzlich wichtig, um den Schmerz loszuwerden.


Belastungsprobe zu Hause und in der Schule

An der Therapie sind nicht nur Ärzte beteiligt, vier bis fünf Sitzungen beim Psychologen pro Woche gehören zur Therapie, mindestens einmal wöchentlich kommen Eltern und auch manchmal die Geschwister hinzu. Außerdem gibt es Kunst-, Ergo-, Musik- und Physiotherapie. Therapeutische „Hausaufgaben“ werden mit dem Pflege- und Erziehungsteam am Nachmittag geübt und auch dann wenn die Schmerzen kommen. „Die Kinder gehen hier auch in die Schule für Kranke.“ Wichtig ist eine Belastungserprobung während der Therapie. Deshalb verbringen die Patienten das zweite Wochenende zu Hause, am Ende gehen sie auch in ihre eigene Schule, sollen möglichst auch die Fächer mitmachen, die sie besonders belasten.

Aus: Klinikum live, Ausgabe 03|2014

Kontakt

Priv.-Doz. Dr. Markus Blankenburg
Pädiatrie 1 – Pädiatrische Neurologie, Psychosomatik und Schmerztherapie
Telefon: 0711 278-72408
Telefax: 0711 278-72407
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