Knochenverlängerung von innen

Computersystem unterstützt die Planung

Dr.Langendörfer

Ist die gewünschte Verlängerung erreicht, beginnt die Heilungszeit. Beim Fixateur externe beträgt sie etwa doppelt bis dreimal so lange wie die zum Verlängern benötigte Zeit (in unserem Beispiel bei vier Zentimeter Verlängerung also 40 Tage Verlängerung plus etwa 80 Tage Heilungszeit). Danach kann die Konstruktion abgebaut werden.

Auch beim Magnetnagel muss die Heilungszeit abgewartet werden. In dieser Zeit darf der Knochen mit dem Nagel zunächst nur leicht, bis etwa zehn Kilogramm, belastet werden. Das heißt, die Kinder müssen das Bein beim Gehen mit Gehstöcken entlasten. Mit einer Röntgenaufnahme wird schließlich kontrolliert, ob sich die Knochen ausreichend stabil gebildet haben. Allerdings darf bei guten Fortschritten der Knochenheilung das Bein schon nach etwa 30 bis 40 Tagen voll belastet werden, so dass dann keine sichtbaren Einschränkungen für das Kind bestehen, während der Knochen noch vollständig ausheilt. In der Regel bleiben die Nägel ein Jahr bis zur vollständigen Wiederherstellung im Knochen und können danach wie jeder andere Traumanagel auch unkompliziert entfernt werden.
Schon während der Verlängerungsphase aber auch in der Heilungsphase ist es wichtig, dass die angrenzenden Gelenke und die Muskulatur krankengymnastisch bewegt werden. Vor allem die Muskeln gilt es zu trainieren, um zu verhindern, dass sie verkürzen und so neue Fehlstellungen provozieren.  „Gerade bei angeborenen Verkürzungen sind begleitende Gelenkinstabilitäten ein großes Thema, das intensiver Beübung und Prophylaxe bedarf.“

Beinverlängerungen bis zu acht Zentimetern

„Das Magnetnagelsystem ist eine sehr gute Ergänzung unserer Behandlungsmöglichkeiten bei verkürzten Armen und Beinen“, urteilt der Oberarzt. Vor allem ältere Kinder und Jugendliche profitieren davon. „Bei jüngeren Kindern können wir das System in vielen Fällen nicht einsetzen, weil der Nagel sensible Wachstumsfugen kreuzen würde.“ Die sind zum Teil erst ab einem Alter von 14 bis 16 Jahren geschlossen, so dass der Marknagel am Unterschenkel erst danach eingesetzt werden kann. Wird der Marknagel am Oberschenkel von der Hüfte aus eingesetzt, kann er dagegen auch schon bei 9-Jährigen verwendet werden. Das ist zudem möglich, weil die dünnsten Magnetnagelsysteme mittlerweile nur noch einen Durchmesser von 8,5 Millimetern haben und damit auch im frühen Jugendalter einsetzbar sind. Insgesamt lassen sich so Beinverlängerungen zwischen drei und acht Zentimetern gut erzielen. Gleichzeitig können und sollten auch möglicherweise bestehende Achsfehlstellungen der Beine korrigiert werden. „Bei noch gravierenderen Verkürzungen lässt sich das System auch in Stufen mehrfach oder sowohl am Unter- als auch am Oberschenkel anwenden.“ Ziel ist es an den Beinen, die Knie und auch das Becken auf die gleiche Höhe zu bekommen. Entsprechend müssen Ober- oder Unterschenkelknochen oder auch beide verlängert werden. In manchen Fällen kann es zudem sinnvoll sein, zunächst bei einem jüngeren Kind eine erste Verlängerung mit einem Fixateur externe und einige Jahre später eine weitere Korrektur mit dem Magnetnagel durchzuführen. „Nach genauer Diagnose wählen wir das für den Patienten optimale Vorgehen und aus der gesamten Palette möglicher Behandlungssystem das am besten geeignete aus“, sagt Dr. Langendörfer. Bei der Planung der Operation wird er durch ein Computersystem unterstützt, das es ihm ermöglicht, die genaue Positionierung des Magnetnagelsystems zunächst am digitalen Modell durchzuspielen, um bei der Operation eine ideale Platzierung vornehmen zu können. Vor allem bei gleichzeitiger Verlängerung und Achskorrektur ist eine korrekte Vorplanung unabdingbar, da  es sonst während der Verlängerungsphase zu Verschlechterungen der Beinachse kommen könnte.

Magnetstabsystem für eine "wachsende Wirbelsäule"

Und noch eine weitere Anwendung für das Magnetverlängerungssystem steht inzwischen zur Verfügung. „Magec“ heißt das System, das nach dem gleichen Prinzip wie für die Arm- und Beinverlängerung auch an der Wirbelsäule eingesetzt werden kann. Bei Kindern zwischen sechs und elf Jahren, die unter einer deutlichen Wirbelsäulenverkrümmung, einer Skoliose, leiden und bei denen ein Korsett nicht reicht und eine korrigierende und dabei versteifende Operation zu früh wäre, kann ein Magnetstabsystem für eine „wachsende Wirbelsäule“ sorgen und sie so begradigen, bei gleichzeitigem Erhalt des Wirbelsäulenwachstums. „Die Wirbelsäulenverkrümmung führt unbehandelt oder aber bei zu früher Versteifungsoperation zu einer Einengung des Brustkorbes und damit bei Kindern zu relevant geringerem Lungenvolumen“, sagt Dr. Langendörfer. „Mit dem Magec Magnetnagel haben wir für die Skoliose nun eine weitere Behandlungsoption.“  


Aus: Klinikum live, Ausgabe 04|2016

Olgahospital

Orthopädische Klinik
Oberarzt Dr. Micha Langendörfer
Bereichsleitung Extremitätenverlängerung - und rekonstruktion
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