Stereotaxie: Millimetergenaue Orientierung

Das System erkennt kleinste Lageveränderungen

Linearbeschleuniger

Erreicht wird die mit einem exakten Schnitt vergleichbare Präzision der Bestrahlung durch bildgeführte Computertechnik. Der Linearbeschleuniger ist dazu mit einer speziellen Technologie zur Positionierung des Patienten auf dem Bestrahlungstisch ausgerüstet. Das System erlaubt es, den Behandlungstisch in den drei Raumdimensionen und allen erdenklichen Kippwinkeln auszurichten.

Die in den gesamten Behandlungsablauf involvierten Medizinphysiker sprechen hier von einer robotischen 6D-Positionierung, also in sechs Dimensionen.
Wie bei jeder Strahlentherapie geht auch hier ein komplizierter Planungsprozess voraus. Lage und Größe des Tumors werden zunächst im CT oder MRT exakt bestimmt und anschließend Umfang und Intensität der Bestrahlung anhand der speziellen Bildgebung für die Stereotaxie in einem aufwendigen mehrtätigen Prozesse gemeinsam von den Ärzten und Medizinphysikern geplant und individuell auf den jeweiligen Patienten angepasst. Nachdem das Bestrahlungssystem mit diesen individuellen Daten „gefüttert“ worden ist, wird der Patient mithilfe des Positionierungssystems auf dem Behandlungstisch zunächst optimal gelagert. Der rotierende Arm der Bestrahlungseinheit bestrahlt den Tumor anschließend aus verschiedenen Winkeln. Dadurch ist es möglich, umliegendes gesundes Gewebe oder Organe auszusparen und auch verschiedene Bereiche mit unterschiedlicher Intensität zu bestrahlen, um damit die individuell optimale Dosisverteilung für den Patienten zu erzielen.
Während der Bestrahlung beobachtet das Bestrahlungsgerät mit einem eigenen Röntgensystem ständig die Lage des Tumors und vergleicht sie mit den Aufnahmen aus dem Planungs-CT. Bei kleinsten Lageveränderungen des Tumors durch Bewegungen des Patienten oder Veränderungen im Körper unterbricht das System sofort die Bestrahlung. Das Positionierungssystem zeigt den ärztlichen Mitarbeitern, die das System steuern, die Veränderung einschließlich der erforderlichen Korrektur an. Erst nach einer auf den Zehntelmillimeter genauen Nachjustierung des Behandlungstisches wird die Bestrahlung des Tumors fortgesetzt. Das geplante Bestrahlungsvolumen wird so über die gesamte Bestrahlungsdauer mit höchster Präzision erfasst.
Dank dieser hochpräzisen bildgeführten Positionierungstechnologie können Patienten, die zum Beispiel von einem Hirntumor betroffen sind, zudem deutlich schonender behandelt werden. Um zu gewährleisten, dass der Kopf während der Bestrahlung sicher und unbeweglich positioniert ist, mussten die Patienten früher für eine Bestrahlung in einem Kopfring wie bei einer stereotaktischen Operation fixiert werden, der mit Dornen an der Schädelkalotte verankert wurde. Mit dem neuen Hochpräzisionsbestrahlungssystem ist eine nichtinvasive Form der Fixierung mit einer patientenfreundlichen Kopf- und Schultermaske ausreichend. Diese sogenannte rahmenlose Radiochirurgie bietet den Behandlern außerdem zusätzliche Flexibilität bei der Bestrahlungsplanung.
Im ZHPS am Klinikum Stuttgart haben Neurochirurgen und Strahlentherapeuten ihre Behandlungsmöglichkeiten nun zusammengeführt.

Gemeinsam diskutieren die Ärzte die Behandlung von Patienten mit Hirntumoren oder Hirnmetastasen und empfehlen die bestmögliche individuelleTherapiestrategie. „In vielen Fällen kann die Radiochirurgie mit unserem neuen Hochpräzisionsbestrahlungsgerät alternativ zu einem neurochirurgischen Eingriff eingesetzt werden“, sagt Professor Münter. Oft wird aber auch ein abgestuftes gemeinsames Vorgehen geplant. Zunächst wird dann der Hirntumor verkleinert und anschließend der verbleibende Tumorrest bestrahlt. „Vor allem bei Tumoren oder Metastasen in unmittelbarer Nähe zu funktionalen Hirnarealen können wir nicht immer alles Tumorgewebe vollständig entfernen, ohne die Umgebung zu beschädigen“, berichtet Neurochirurg Professor Ganslandt. Dann werden die Tumorreste anschließend mit der Strahlentherapie zerstört. Wichtiges Kriterium für die Therapieentscheidung ist dabei die Tumorgröße. „Als Faustregel gilt, große Tumore oder Gefäßmissbildungen werden – wenn möglich – komplett operiert oder verkleinert. Kleinere Tumoren oder Metastasen, mit einem Volumen bis zu drei Kubikzentimetern, die nur mit hohem Risiko operiert werden können, werden radiochirurgisch behandelt. Auch größere Tumore, die schwierig zu operieren sind können mit der mehrzeitigen stereotaktischen Radiotherapie gut kontrolliert werden.“

Aus: Klinikum live, Ausgabe 03|2016

Klinikum Stuttgart-Katharinenhospital

Neurochirurgische Klinik
Ärztlicher Direktor
Prof. Dr. Oliver Ganslandt
Telefon 0711 278-33701
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E-Mail: o.ganslandt@klinikum-stuttgart.de

Klinik für Strahlentherapie und Radioonkologie
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Prof. Dr. Marc Münter
Telefon 0711 278-34201
Telefax 0711 278-34209
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