Hilfe für die erweiterte Bauchschlagader

Aorta unter Druck

Behandlungsbedürftiges Aneurysma
Der Durchmesser einer Aorta beträgt bei der Frau im Schnitt 1,8 cm, beim Mann 2,2 cm; das Bild zeiget ein dringend behandlungsbedürftiges Aneurysma

Erweiterungen der Bauchschlagader werden zunehmend mit modernsten Kathetermethoden behandelt. Der Einsatz handgefertigter Spezialprothesen hat das Behandlungsspektrum nochmals erweitert.

Unter hohem Druck pumpt das Herz das Blut durch die Hauptschlagader, die Aorta, von der linken Herzkammer bis zum Becken, wo sich das fingerdicke Blutgefäß in die beiden Beinarterien teilt. Der enormen Druckbelastung halten die Gefäßwände bei manchen Menschen jedoch auf Dauer nicht stand. Vor allem im Bauchraum kommt es dann zu einer Erweiterung der Aorta. Es entsteht ein sogenanntes Bauchaorten-Aneurysma, das wie ein Ballon immer größer wird. Lebensgefährlich wird es, wenn die erweiterte Bauchschlagader schließlich platzt. Dann bleiben nur wenige Minuten.

50.000 Männer stark gefährdet

„Seit vielen Jahren werben wir dafür, dass die Bauschlagader zumindest bei den besonders betroffenen Männern ab dem 65. Lebensjahr auf eine Erweiterung hin untersucht wird“, berichtet Professor Dr. Thomas Hupp, Ärztlicher Direktor der Klinik für Gefäßchirurgie, Gefäßmedizin und Transplantationschirurgie im Klinikum Stuttgart. Inzwischen zeichnet sich ab, dass ein vorsorgliches Ultraschall-Screening durch niedergelassene Ärzte als Kassenleistung anerkannt wird. „Epidemologische Berechnungen haben ergeben, dass in Deutschland rund 50.000 Männer ein behandlungsbedürftiges Bauchaorten-Aneurysma haben“, so Professor Hupp. Medizinische Leitlinien geben die Grenzwerte vor, ab denen ein Aneurysma behandelt werden sollte. Bei Männern lautet die Empfehlung für einen Eingriff ab einem Durchmesser der Erweiterung von 5 bis 5,5 Zentimetern. „Frauen sind deutlich seltener von einem Aneurysma betroffen“, erklärt Professor Hupp. „Wenn es sie aber trifft, ist es erheblich gefährlicher.“ Deshalb gilt bei Frauen ein Aneurysma ab einem Durchmesser von 4,5 Zentimetern bereits als dringend behandlungsbedürftig.

Die Klinik für Gefäßchirurgie, Gefäßmedizin und Transplantationschirurgie im Katharinenhospital, die in diesem Jahr ihr 40-jähriges Bestehen feiert, verfügt in der Behandlung des Bauchaortenaneurysmas über langjährige Erfahrungen. Seit 1997 wurden über 1.000 Patienten offen chirurgisch mit einer Gefäßprothese versorgt. Neben dem Aneurysma wird die Aortendissektion ebenso behandelt. Bei einer Dissektion kommt es zu einer Aufspaltung der Gefäßwandschichten, was ebenfalls zu einem lebensbedrohlichen Riss der Gefäßwand führen kann.

Neben der offen chirurgischen Behandlung des Aorten-Aneurysmas und auch der Dissektion haben sich in den vergangenen Jahren minimalinvasive Katheterverfahren durchgesetzt, bei denen ein Stent die Schlagadererweiterung oder den Gefäßwandriss von innen überbrückt. „Dank dieser schonenden Methode können wir auch ältere Menschen mit einem sehr geringen Risiko behandeln“, so Professor Hupp. 2010 wurden in Deutschland erstmals mehr Bauchaortenaneurysmen mit einer Stent-Prothese versorgt als offen chirurgisch operiert. Im Klinikum Stuttgart verlief diese Entwicklung ähnlich. Seit 1997 wurden rund 540 Patienten mit einer Stent-Prothese behandelt – angefangen mit sieben Patienten 1997 bis zu 81 Patienten 2012. Bereits 1999 wurde unter anderem deshalb unter Leitung der Klinik für Gefäßchirurgie, Gefäßmedizin und Transplantationschirurgie das Gefäßzentrum am Klinikum Stuttgart gegründet.

Bei der Behandlung des Aortenaneurysmen arbeiten die Gefäßchirurgen in erster Linie mit der Klinik für Diagnostische und Interventionelle Radiologie unter Leitung von Professor Dr. Götz Martin Richter zusammen. Über die Leistenarterie wird bei diesen sogenannten Hybrid-Eingriffen ein Kathether unter Röntgenkontrolle bis zur Bauchschlagader-Erweiterung vorgeschoben. Anschließend wird über den Katheter die eng zusammengefaltete Stentprothese bis in das Aneurysma geführt. Nachdem die Schutzhülle um den Stent abgezogen ist, kann der sich entfalten und das Aneurysma überbrücken.

Der Stent ist ein Hightech-Produkt

Der Stent selbst ist ein Hightech-Produkt. Sein metallisches Gitternetz ist aus einer speziellen Metalllegierung gefertigt, die als Gedächtnismetall bezeichnet wird. Dieses Material hat die Fähigkeit, unter bestimmten Temperaturbedingungen eine vorbestimmte Form immer wieder einzunehmen – ganz egal wie stark sie zuvor verformt wurde. Nitinol nennt sich das Material, dass in einem aufwändigen Verfahren aus Nickel und Titan hergestellt wird. Bei der Produktion wird quasi das Gedächtnis gleich mit erzeugt. Bei den Stents für die Gefäßchirurgie nimmt das Material seine Grundform bei Körpertemperatur ein, und so entfaltet er sich exakt auf die vorgesehene Größe, sobald er im Körper platziert und von seiner Schutzhülle befreit ist.

Unter den in den letzten gut 15 Jahren operierten oder mit einem Stent versorgten Patienten gab es immer wieder auch Notfälle, bei denen das Aneurysma bereits geplatzt oder die Dissektion gerissen war. In vielen Fällen konnten die Ärzte diesen Patienten jedoch nicht mehr helfen. Immerhin ist es aber dank der Katheterverfahren gelungen, die Todesfallrate auch bei Notfällen auf etwa 10 Prozent zu senken. „Die Dunkelziffer der Patienten, die an einem geplatzten Aneurysma sterben bevor sie eine Klinik erreichen, ist aber sicher sehr hoch“, so Professor Hupp.

Aus: Klinikum live, Ausgabe 04|2013