Dem Diabetes davonlaufen

Diabetesberatung für jeden Patienten

Zucker, Lebensmittel

Wie drängend das Problem ist, erlebt der Diabetologe täglich in der Klinik. „Etwa 30 bis 40 Prozent der Krankenhauspatienten hat als Haupt- oder Nebendiagnose Diabetes mellitus“, berichtet Professor Lobmann. „Das muss bei den allermeisten Eingriffen und Behandlungen berücksichtigt werden.“ Der Diabetologe hat sich deshalb das Ziel gesetzt, dass bei allen Patienten mit Diabetes ein Arzt oder eine Diabetesberaterin aus dem Diabetes-Konsil vorbeischaut und sie berät.

„Hier im Krankenhaus Bad Cannstatt funktioniert das schon sehr gut, in den anderen Kliniken in Stuttgart  Mitte sind wir auf gutem Weg“, sagt Professor Lobmann. „Diabetespatienten, die sich zum Beispiel einem geplanten Eingriff in der Orthopädie unterziehen, erwarten gute Arbeit von ihrem Operateur. Genauso gehen sie aber auch davon aus, dass ihr Diabetes, der oftmals ihren Alltag bestimmt, dabei berücksichtigt wird.“ Manche Patienten wissen jedoch gar nicht, dass sie Diabetes haben. Das Team der Diabetologie erhält deshalb inzwischen automatisch eine Meldung, wenn das Labor bei einem Patienten einen Blutzuckerwert über 200 ermittelt hat. „Einen neu erkannten oder schlecht eingestellten Diabetes können wir so schnell identifizieren.“ Wichtig ist das zum Beispiel auch für Patienten in der Hautklinik, die häufig mit Cortison in hoher Dosierung behandelt werden. Ein Diabetes kann dann schnell entgleisen, wenn der Blutzucker nicht entsprechend eingestellt wird.

Rund 95 Prozent der Diabetespatienten leiden unter dem sogenannten Typ-2-Diabetes. Bei den Betroffenen reagieren die Körperzellen zunehmend unempfindlich und schließlich resistent auf das körpereigene Zucker-Transportmittel Insulin. Das in der Bauchspeicheldrüse produzierte Hormon ist quasi der Türöffner für den Zucker, den die Zellen als Energiequelle nutzen. Weil die Körperzellen auch mit zunehmendem Alter unempfindlich gegen das Insulin werden, sprach man früher auch vom Alterszucker. Inzwischen aber erkranken auch immer mehr Menschen im mittleren Lebensalter und sogar Jugendliche an Diabetes Typ-2. Denn auch Übergewicht begünstigt die Entwicklung, da Fettgewebe – vor allem das Bauchfett – Botenstoffe ausschüttet, die eine Insulinresistenz fördern. Für die Muskelzellen hat Bewegungsmangel den gleichen Effekt. Erhöhte Blutfettwerte, Bluthochdruck und eine genetische Veranlagung sind weitere Diabetes-Risikofaktoren. Der Körper reagiert zunächst mit einer verstärkten Insulinproduktion und kann so den Zucker im Blut noch eine Weile im Normbereich halten. Schließlich aber sind die Insulin-produzierenden Zellen erschöpft, der Zucker kann gar nicht mehr in die Zellen gelangen und der Blutzuckerspiegel steigt bedrohlich an.

Vor allem wenn der Diabetes erst spät erkannt wird oder der Blutzucker unzureichend eingestellt ist, können die gesundheitlichen Folgen für die Patienten gravierend sein. Das Schlaganfall- und Herzinfarktrisiko und die Gefahr einer Niereninsuffizienz steigen erheblich an. Da das Gefäßsystem angegriffen wird, kann es zu Netzhauterkrankungen bis zur Erblindung oder dem diabetischen Fußsyndrom mit der Gefahr einer Amputation kommen.

Mit der Behandlung des diabetischen Fußsyndroms haben Professor Lobmann und sein Team besonders umfangreiche Erfahrungen. Der Chefarzt ist nicht nur seit Mai 2016 im Vorstand der Deutschen Diabetes Gesellschaft, sondern auch Sprecher der Arbeitsgemeinschaft, die sich speziell mit dieser gravierenden Diabetesfolgeerkrankung befasst, und Chairman der Diabetic foot study group der European Association for the Study of Diabetes (EASD). Die Klinik ist zudem als eines von zwei Zentren in Stuttgart für die Behandlung des diabetischen Fußes zertifiziert. Durchblutungsstörungen infolge des Diabetes sorgen für eine Minderdurchblutung insbesondere der Füße. Das betroffene Gewebe stirbt ab, es bilden sich dunkle nekrotische Stellen. Nicht konsequent behandelt ist dann irgendwann eine Amputation unumgänglich. „In Deutschland liegt das Amputationsrisiko für Patienten mit einem diabetischen Fuß zwischen zehn und 20 Prozent“, sagt Professor Lobmann. „In Zentren wie dem unseren liegt das Risiko bei nur noch 3,1 Prozent.“ Er plädiert daher dafür, vor einer geplanten Amputation in jedem Fall eine zweite Meinung einzuholen und die Möglichkeiten einer erhaltenden Behandlung zu prüfen. „Aktionismus ist hier fehl am Platz, notwendig ist ein Vorgehen mit Bedacht.“

Aus: Klinikum live, Ausgabe 02|2016

Klinik für Endokrinologie, Diabetologie und Geriatrie

Ärztlicher Direktor
Prof. Dr. Ralf Lobmann
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