Mikrophotodioden ersetzen Photorezeptoren

1.500 Dioden auf 3 x 3 Millimetern

Sehchip
Blick auf einen unter die Netzhaut eines Patienten implantierten, 3 x 3 mm kleinen Sehchip

Bei Patienten mit Netzhautdegenerationen sind viele Zellen der Netzhaut noch relativ lange intakt. Hier setzt die elektronische Sehprothese an.

Die Mediziner gehen von elf Netzhautzellschichten mit nahezu 50 verschiedenen Zelltypen in der Netzhaut aus. Insbesondere die Zwischenzellen, also die Horizontal-, Amakrin- und Müllerzellen und auch die Ganglienzellen bleiben jahrelang bei bereits vollständiger Erblindung funktionsfähig. Die Ganglienzellen vereinen sich im Sehnerv und leiten die visuellen Informationen vom Auge zu den verarbeitenden Zentren im Gehirn weiter.

Die elektronische Sehprothese, wie sie von Professor Gekeler in Tübingen maßgeblich mitentwickelt Wurde, ersetzt untergegangene Photorezeptoren durch Mikrophotodioden. Diese Photodioden wandeln – genau wie die natürlichen, erkrankten Photorezeptoren auch – das auftreffende Licht in elektrische Signale um und leiten sie an den Sehnerv weiter. Dass sich Nerven mit elektrischem Strom reizen lassen, weiß man seit Galvani, der Froschschenkel mit dem Strom einer Batterie zucken ließ. „Wenn es also gelingt, die Lichtreize auf der unter der Netzhaut liegenden Prothese in ein Muster von Strömen umzuwandeln, das die darüber liegende Netzhaut reizt, dann kann daraus ein Seheindruck entstehen“, so Professor Gekeler.

1.500 Dioden auf 3 x 3 Millimetern

Das derzeit verwendete Implantat besitzt 1.500 solcher Photodioden auf einer Fläche von knapp drei mal drei Millimetern. Diese Fläche auf einer menschlichen Netzhaut entspricht etwa dem Seheindruck einer Fläche eines Gesichtes auf einen Meter Entfernung. Sie sollte also ausreichen, Patienten eine gewisse Orientierung und Auflösung zu ermöglichen. Nach sehr vielen Jahren Vorarbeiten konnte im Jahr 2005 an der Universitätsaugenklinik in Tübingen erstmals einem Patienten eine solche Sehprothese eingesetzt werden. „Bereits dieser erste, vorher vollkommen blinde Patient konnte schon wenige Tage nach der Operation die Ausrichtung eines Bleistiftes und einfacher geometrischer Figuren erkennen.“

Durch technische und auch operative Innovationen gelang es den Augenärzten zwei Jahre später, dem ersten blinden Patienten überhaupt das Lesen seines eigenen Namens in großen Lettern zu ermöglichen. Die Buchstaben waren etwa zehn Zentimeter groß und konnten auf eine Entfernung von knapp einem Meter erkannt werden. Auch Graustufen ließen sich der Helligkeit nach anordnen und die Uhrzeit einer großen Uhr erkennen.

Aus: Klinikum live, Ausgabe 03|2013