Stuttgarter Genesungsgeschichten

Hörend und selbständig im Leben

Christine in ihrem Garten

Christine G. ist als Frühchen auf die Welt gekommen. Sie war hochgradig schwerhörig und als Erwachsene schließlich taub. Im Olgahospital wurde sie mit Cochlear Implant versorgt und steht damit jetzt hörend und selbständig im Leben.

Eben ist Christine G. von der Arbeit heimgekommen. Die heute 27-jährige junge Frau hat nach dem Schulabschluss eine Hauswirtschaftslehre gemacht und arbeitet jetzt in der Heilbronner Lindenparkschule, einer Internatsschule für Hörgeschädigte und Sprachbehinderte, in der sie selbst zur Schule gegangen ist und wo sie auch ihre Ausbildung absolvieren konnte. Jetzt sitzt sie mit den Eltern und ihrer Schwester am Wohnzimmertisch und beteiligt sich am Gespräch. Sie muss genau hinhören, das spürt man, aber sie bekommt alles mit – obwohl sie eigentlich taub ist. Möglich machen das biosensorische Implantate in der Hörschnecke ihrer Ohren, der Cochlea. Cochlear Implant heißen die Systeme, die Schall in elektrische Impulse wandeln und über eine Elektrode direkt den Hörnerv stimulieren. 2011 hat Christine G. das erste Hör-Implantat in der HNO-Klinik des Olgahospitals erhalten, 2012 das zweite. "Die Umstellung war schon ein bisschen schwierig", erzählt sie. "Aber ich wollte es schaffen und deshalb hat es auch geklappt." Unterstützt wurde sie dabei durch eine spezielle Sprachtherapie bei einem Logopäden. Die Implantate haben nicht nur dafür gesorgt, dass Christine G. wieder an der Alltagskommunikation in ihrem Beruf und der Freizeit teilnehmen kann. Sie ist auch selbstbewusster und eigenständiger geworden. Vor einigen Monaten hat sie den Führerschein gemacht.

Christine G. hatte keinen leichten Start ins Leben. Viel zu früh, in der 27. Schwangerschaftswoche war sie auf die Welt gekommen. Nach sechs Monaten in der Kinderklinik hatte sie es geschafft, ihre Eltern konnten sie mit nach Hause in der Nähe von Heilbronn nehmen, wo sie sich gut zu entwickeln schien, berichtet ihre Mutter. Als das kleine Mädchen aber mit zwei Jahren immer noch nicht sprechen konnte, schickte der Kinderarzt die Eltern mit ihrer Tochter ins Olgahospital. Dort, in der Pädaudiologie der HNO-Klinik, der Abteilung für Kinder mit Hörproblemen, diagnostizierten die Ärzte eine hochgradige Schwerhörigkeit und versorgten Christine G. mit Hörgeräten. Mit dem Hören über die Hörgeräte lernte sie langsam auch sprechen und besuchte die Kindertagesstätte der Lindenparkschule. Hier machte sie auch den Hauptschulabschluss. Schließlich aber reichten auch die Hörgeräte nicht mehr aus. Christine G. hörte immer schlechter. Im Olgahospital ließ sie sich zusammen mit ihren Eltern beraten und entschloss sich für die Implantation eines Cochlear Implant, zunächst nur auf einer Seite.

Christine in ihrer Küche
Christine bastelt
Christine bastelt

"Mit Sicherheit konnte niemand sagen, ob es bei Christine G. gelingen würde, mit dem Cochlear Implant die Hörfähigkeit wieder herzustellen", erläutert Dr. Rüdiger Boppert, Leiter des pädaudiologisch-phoniatrischen Funktionsbereiches der HNO-Klinik im Olgahospital, der die inzwischen erwachsene Frau seit 1998 betreut. "Die Technik, die Geräte und die Sprachverarbeitungssoftware sind aber heute so weit fortgeschritten, dass wir es mit gutem Gewissen empfehlen konnten." Die Implantation eines Hör-Implantats ist eine "hochspezialisierte Tätigkeit", die auch in der großen HNOKlinik des Klinikums Stuttgart nur wenige Ärzte regelmäßig durchführen. "Deshalb werden diese Implantate nur in spezialisierten Hör-Implantat- Zentren eingesetzt", berichtet Professor Dr. Assen Koitschev, Leiter der Abteilung Pädiatrische HNO-Heilkunde und Otologie. Besonders wichtig bei der Betreuung der Patienten im Cochlear-Implant-Centrum ist die enge Zusammenarbeit der beteiligten Disziplinen. In der rund zweistündigen Operation wird die etwa einen halben Millimeter dünne Elektrode, die später die elektrischen Impulse an den Hörnerv übertragen soll, unter dem Operationsmikroskop schonend in die Hörschnecke eingesetzt

"Mit dem Cochlear Implant muss das Hören neu gelernt werden", erklärt Dr. Boppert. Deshalb sei das anschließende Hörtraining so wichtig. Christine G. war sehr ehrgeizig und kam schnell mit dem Implantat zurecht. "Die großen Fortschritte, die Christine G. mit der neu gewonnenen Hörfähigkeit gemacht hat, sind wirklich sehr bemerkenswert", urteilt auch Dr. Boppert. Regelmäßig kommt die junge Frau inzwischen zum Einstellen und Nachjustieren der Implantate ohne Begleitung der Eltern ins Olgahospital. "Zum Tag der Offenen Tür im neuen Olgahospital bin ich auch hingefahren und habe mir angeschaut, wo ich zum nächsten Termin hin muss", erzählt sie.