Klinische Schwerpunkte

Schwindelerkrankungen

Wendeltreppe

Patienten mit Somatoformen Schwindelerkrankungen sind bezüglich ihres Leidensdrucks und der Einschränkungen durch die Erkrankung meist stärker betroffen, als Patienten mit organischen Schwindelerkrankungen. Dennoch bleiben diese Patienten, wenn die somatische Diagnostik abgeschlossen ist, häufig sich selbst überlassen. Psychische Ursachen werden oft nicht oder erst nach langer Odyssee durch Arztpraxen und Krankenhäuser, wenn die Erkrankung bereits chronisch ist, erkannt.

Etwa die Hälfte aller allgemeinmedizinischen Patienten leiden unter Schwindel. Unterschieden werden Schwindelsyndrome, die durch eine körperliche Erkrankung bedingt sind, und Schwindelsyndrome, die psychosomatisch verursacht werden (Somatoformer Schwindel). Bei etwa einem Drittel aller Patienten mit ursprünglich organischen Schwindelerkrankungen kommt es im weiteren Verlauf zur Entwicklung eines psychosomatischen Schwindels (sekundärer Somatoformer Schwindel). Am häufigsten ist dies bei Patienten der Fall, die eine vestibuläre Migräne oder einen Morbus Menière haben; aber ebenso bei Patienten, die an einer Neuritis vestibularis (Entzündliche Erkrankung des Gleichgewichtsorgans) oder einem gutartigen Lagerungsschwindel erkrankt waren. Diese vier Krankheitsbilder sind neben vielen anderen internistischen, kardiologischen, endokrinologischen, HNO-ärztlichen oder neurologischen Erkrankungen die Ursachen für organische Schwindelsyndrome.

Unterschiedliche Grunderkrankungen

Dem psychosomatisch bedingten Schwindel können unterschiedliche Erkrankungen zu Grunde liegen. Zu den häufigsten zählen:

  • Angsterkrankungen,
  • Panikstörungen und Phobien (v.a. die Soziale Phobie und die Agoraphobie),
  • depressive Erkrankungen,
  • Burnout,
  • Somatoforme Störungen,
  • Dissoziative Störungen und Konversionsstörungen,
  • Reaktionen auf schwere Lebensbelastungen (sogenannte Anpassungsstörungen),
  • Depersonalisationssyndrome.

Unterschiedliche Schwindelformen

Beim Somatoformen Schwindel können alle Schwindelqualitäten vorkommen. Die meisten Patienten leiden unter einem Schwankschwindel oder diffusem Schwindel, es gibt aber auch Patienten mit Drehschwindelanfällen, Liftschwindel, Benommenheitsgefühlen und anderen. Sogar Drehschwindelattacken mit akutem Brechreiz, Erbrechen und anderen Störungen des vegetativen Nervensystems (Herzrasen, Blutdruckanstieg, Atemnot, Schweißausbrüche, Durchfall und Harndrang) kommen vor. Begleitend leiden die Betroffenen meist häufig an Übelkeit oder Brechreiz, Magen-Darmstörungen, Kopfschmerzen, Ohrgeräuschen, Muskelverspannungen u.a..
Frühzeitig psychosomatische Diagnostik einleiten

Schwindel ist insgesamt ein Symptom, das den betroffenen Patienten stark beeinträchtigen kann, da es das Grundgefühl der Sicherheit, der Standfestigkeit angreift. Wenn Schwindelsyndrome mehr als sechs Wochen anhalten und wichtige organische Ursachen ausgeschlossen wurden oder aber die Ausprägung der Symptomatik nicht erklären können, sollten unbedingt frühzeitig eine psychosomatische Untersuchung und je nach Diagnose weiterführende psychosomatische Behandlung eingeleitet werden. Zum Ausschluss einer organischen Erkrankung sollte zunächst eine internistische Untersuchung, HNO-ärztliche und neurologische Untersuchung, ggf. auch eine augenärztliche Untersuchung durchgeführt werden. Auch Medikamente können als Nebenwirkung Schwindelsymptome verursachen.

Psychosomatische Ursachen werden oft übersehen

Die psychosomatische Diagnostik gehört bei komplexen Schwindelsyndromen routinemäßig immer dazu. Insbesondere bei älteren Menschen wird dies oft übersehen und allzu schnell eine Gefäßerkrankung als Ursache angenommen. Viele Patienten mit Schwindelerkrankungen leiden an einer starken Beeinträchtigung ihrer beruflichen Aktivitäten und ihrer Lebensqualität.

Eine der häufigsten Fehldiagnosen ist der sogenannte "vertebragene oder Wirbelsäulenschwindel". Seine Existenz ist vollkommen umstritten. Sicher ist, dass viele Patienten mit Somatoformem Schwindel fälschlich dem Wirbelsäulenschwindel zugeordnet werden.